Die Entscheidung liegt bei dir!
Wesensmerkmal des Lobens ist die Tatsache, dass es immer ein
Bewertungsmonopol
gibt: einen, der sagen darf, was gut und richtig ist, und jemanden, der dieses Urteil über sich ergehen lässt. Lob schafft und |121| bestätigt mithin zweierlei: erstens ein
beurteilendes
Verhältnis und zweitens ein hierarchisches Muster. Gelobt wird von oben nach unten. Lob kommt aus einer gütigen Elternposition, die sich an ein angepasstes, dankbar Lob empfangendes Kind richtet. Loben bestimmt mithin ein »Oben« und ein »Unten«, krass gesagt: ein Herr-Knecht-Verhältnis. Schiller sagt es im
Gang nach dem Eisenhammer
: »Der Graf wird seine Diener loben.«
Auch im Körpersprachlichen drückt sich dieses Machtgefälle aus: in der Geste des Schulterklopfens. »Anerkennend« ist es zumeist gemeint und ist doch ganz ausdrücklich ein Schlagen, eine Geste von oben nach unten. Sie symbolisiert Macht. Klopfen Sie Ihrem Chef »anerkennend« auf die Schulter? Einen Höhergestellten zu loben hat mithin einen irritierenden Unterton. Es wird als despektierlich und anmaßend wahrgenommen. Ich selbst habe einmal miterleben dürfen, wie ein Geschäftsführer fast die Fassung verlor, als er von einem Auszubildenden gelobt wurde. »Wie kann er sich anmaßen, meine Arbeit zu beurteilen?«
Lob macht den Lobenden jedoch nicht nur indirekt zum Chef; man nutzt es auch aktiv zur Selbsterhöhung.
Denn das Bemerkenswerte an einem positiven Urteil ist nicht, dass es positiv ist, sondern ein Urteil.
Indem jemand urteilt, erhebt er sich, trennt er sich. Mit dem Wort ur-»teilen« wird das Trennende ausgedrückt. Lob ist also keineswegs eine liebevolle Geste, sondern das genaue Gegenteil. Wenn Lieben bedeutet, den anderen nicht ändern zu wollen, tief »verbunden« zu sein, dann entsteht durch Lob (das »positive« Ur-Teil) Trennung.
Liebe nimmt ab,
wenn Lob zunimmt.
In solcher Ungleichmäßigkeit der Verhältnisse liegt mithin |122| das Wesen des Lobens, seine Bedingung. Es kreiert Eltern-Kind-Verhältnisse und schafft in der Folge ganze Legionen unselbstständiger, lobsüchtiger Kinder: kurzzeitig angespornt, motiviert, langfristig aber unverantwortlich, notorisch unterversorgt, angepasst. Sind das die selbstbewussten Persönlichkeiten, die alle Welt sucht? Sind das die Selbstständigen, die ihren eigenen Weg gehen? Sind das die Exzellenten, die unseren Wohlstand mit ihrem Pioniergeist und ihrer Kreativität sichern und ausbauen sollen?
Manipuliert durch Lob
Ein Freund erzählte mir einmal: »Immer wenn ich meiner Frau sage: ›Dein Kleid steht dir aber ausgezeichnet!‹, antwortet sie: ›Du Geizhals!‹« Und welche Gefühle überkommen Sie, wenn Ihr Partner beim Abendessen sagt: »Heute schmeckt das Essen aber besonders gut!« Und wie reagieren Sie wohl, wenn Ihr Chef zu Ihnen kommt: »Sie machen nun schon seit Monaten einen so hervorragenden Job. Sie sind der Einzige, auf den ich mich hier verlassen kann. Kümmern Sie sich doch bitte auch noch um dieses dringende Projekt!«
Hinter dem Lob steckt immer eine Absicht: Man will etwas von Ihnen! Denn wer hat etwas vom Lob? Der Lobende! Sonst würde er nicht loben. Er will, dass der andere tut, was ihm nützt. Wer hat etwas davon, dass das Kind nicht mehr schreit? Die Eltern, nicht das Kind. Lob ist immer manipulativ. Oft bewusst eingesetzt, nach dem Motto: »Zunächst kräftig streicheln und erst dann die Katze aus dem Sack lassen.« Aber auch noch das wohlmeinendste, hochherzigste Lob scheint verhext zu sein: Es ist und bleibt verdächtig, nur zum Zweck |123| der Manipulation eingesetzt worden zu sein. Als Methode hat das Tradition. »Lob und Tadel« gehören als Wortverbindung schon seit jeher zusammen. Ja, Lob soll sogar die Wirkung des Tadels erhöhen, wie in einem Brevier der Bundeswehr zu lesen ist: »Nur beim Vorgesetzten, der lobt, kommt Tadel zur vollen Geltung.«
Deutlicher wird dies noch beim »Weg-Loben«: Hier ist das Manipulative des Lobens gewissermaßen zur Kenntlichkeit entstellt. Desgleichen mit dem gezielt eingesetzten »Lob von der falschen Seite«, das so manchen öffentlichen Abstieg einleitete. Auch in Paarbeziehungen: »Wie schön, dass du das blaue Kleid angezogen hast!« oder »Immer, wenn du mir Blumen mitbringst, weiß ich, dass du an mich gedacht hast!« Der Partner, den man einst andersartig, daher spannend und attraktiv erlebte, wird durch Lob und (sanften) Tadel so zugerichtet, bis er unserem Normbild entspricht. Und dann wird’s langweilig.
Anschlag auf die
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