Die Entscheidung liegt bei dir!
Freiheit
Die unkooperative Teamkollegin, die permanent durch Abwesenheit glänzt und deren Arbeit Sie weitestgehend miterledigen, lobt Sie öffentlich für Ihren Fleiß. Der junge und erst kürzlich gewählte Vereinsvorsitzende, den Sie für einen Blender und Dummschwätzer halten, lobt Sie auf der Jahreshauptversammlung für Ihren jahrelangen ehrenamtlichen Einsatz als Jugendwart Ihres Vereins. Der Chef, dessen Unglaubwürdigkeit und Schleimerei kaum zu überbieten sind, gibt Ihnen statt der längst fälligen Gehaltserhöhung ein dickes Lob. Mancher von Ihnen wird die Situation kennen, |124| in der er ein Lob eigentlich ablehnen wollte, weil er dem Lobenden die Kompetenz zu loben einfach abspricht. Oder weil er spürte, dass oft geehrt wird, wer sich ausnutzen lässt. Und so lernt man es im Führungsseminar: »Wenn Sie keine Möglichkeit der Gehaltserhöhung sehen, dann tut’s auch ein Pfund Lob. Die meisten Mitarbeiter halten dann wieder ein paar Monate durch.« Bezeichnenderweise wird die »lobende Anerkennung« bei Wettbewerben immer dann gewährt, wenn man knapp verloren hat.
Vielleicht haben Sie dieses Verhalten gefühlsmäßig gleich als »entschädigendes Lob« entlarvt. Um es abzulehnen, fehlte Ihnen allerdings der Mut. Folgsam dem Gebot: »Lehne nie ein Lob ab, selbst wenn du es nicht haben willst! Wie kann man jemanden auch so brüskieren, wo er es doch nur gut meinte?!« Aber genau so kann es gewollt sein:
Lob engt die Handlungsfreiheit ein.
Erst recht, wenn Sie mit Lob »überhäuft« werden. Wer kann sich schon gegen Lob wehren? »Gegen Kritik kann man sich wehren, gegen Lob ist man machtlos«, schrieb einst Sigmund Freud. Mit Lob bringt man die Freiheit um. Ein machtvolles, tückisches Instrument. Machtvoll, weil so unschuldig daherkommend. Es produziert das Gefühl der Hilflosigkeit, weil Sie sich gegen das scheinbar Gutgemeinte kaum auflehnen können. Die ach so edlen Motive entziehen jeder Kritik den Boden. Dabei will Sie jemand dazu bewegen, etwas zu tun, was ihm selbst nützt. Er will Kontrolle über Sie. Er will Macht ausüben. Und jetzt fordert er womöglich auch noch Dankbarkeit.
Gerade bei Frauen scheint diese Form der Kontrollausübung besonders erfolgreich zu sein. Die Grundbotschaft, |125| die sie antreibt: »Mach’s anderen recht.« Der männlichen Botschaft »Ich liebe dich nur, wenn du das Haus in Ordnung hältst« entspricht komplementär die weibliche Haltung »Mir geht es gut, wenn ich so bin, wie du mich haben willst.« Und ob sie es anderen recht gemacht hat, weiß sie, wenn sie dafür gelobt wird. In einer männlich dominierten Welt lassen sich viele Frauen ausbeuten, um der Mehrfachbelastung als Ehefrau, Hausfrau, Mutter und berufstätige Frau (»berufstätige Frau« klingt noch immer kennzeichnender als »berufstätiger Mann«) gerecht zu werden. Zusätzlich und erschwerend wird ihnen entgegengehalten, »dass man das alles zusammen ja gar nicht schaffen kann«. Außerdem nähmen berufstätige Frauen den Männern ja die Arbeitsplätze weg. Frauen müssen sich oft in einer Umwelt behaupten, in der spottende Männer und neidvolle Geschlechtsgenossinnen auf den Fehler nur warten.
Die Belohnung ist oft nicht – wie eigentlich zu erwarten wäre – die Arbeit selber, sondern
nicht bestraft zu werden
– weil man es doch »alles geschafft hat«, weil man alles im Griff behalten konnte und sich daher nicht rechtfertigen muss. Das »Wie, du willst wieder arbeiten? Da bin ich ja noch und die Kinder!« klingt im Ohr noch lange nach.
Beschämt durch Lob
Auf die vorherrschend manipulative Lob-Verwendung reagieren viele Menschen in beinahe hilfloser Weise sinnvoll, indem sie sich widersetzen und das Lob »beschämt« ablehnen: »Das ist doch selbstverständlich.« Oder: »Das war doch nur meine Pflicht.« Sie wehren sicher auch ab, weil sie den manipulativen |126| Charakter ahnen und misstrauisch sind: »Das sagt er nur, weil er etwas von mir will.«
Ich will damit nicht sagen, dass Lob nicht schmeichelt und sich nicht gut anfühlt: Die ersten drei Male laufen wir tatsächlich strahlend los, spüren enorme Energie in uns und machen die unglaublichsten Dinge; beim vierten Mal zögern wir; beim fünften Mal sagen wir vielleicht schon leise Nein. Wir spüren die Absicht und sind verstimmt.
Großes, plakatives Lob formuliert zudem unterschwellig auch Ansprüche für die Zukunft, nicht selten durch ein angehängtes »Weiter so!« ausgedrückt. Auch hier wirkt die mangelnde Klarheit
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