Die Entscheidung liegt bei dir!
der es bedauerte, aufmerksam gewesen zu sein.
Natürlich sind wir Einflüssen ausgesetzt, andere versuchen, uns zu manipulieren, lenken uns ab. Aber stellen Sie sich vor, jemand will von Ihnen eine Entscheidung zu einem Zeitpunkt, wo Sie unter Druck stehen. Geben Sie dem Druck nach, kann die Entscheidung sich als Desaster entpuppen. Sie werden sich rechtfertigen, werden erklären, dass Sie gestresst gewesen seien, nicht klar haben denken können, unkonzentriert gewesen seien und deshalb die falsche Entscheidung |182| getroffen haben. Opfer-Story! Sie hätten in dem Moment, als Ihnen die Entscheidung abverlangt wurde, auch sagen können: »Ich werde jetzt nicht entscheiden. Ich traue es mir im Augenblick nicht zu. Ich will erst in Ruhe darüber nachdenken.« Mit anderen Worten: Es mag sein, dass Sie nicht die Konzentration haben, die die Entscheidung benötigt. Aber Sie können wissen, dass Sie unkonzentriert sind, und entsprechend handeln. In Konflikten ist es manchmal hilfreich, sich eine Auszeit zu nehmen: »Ich möchte jetzt nicht weitersprechen, ich bin jetzt zu ärgerlich. Erst möchte ich etwas Abstand gewinnen.«
Fragen Sie sich selbst: Möchten Sie nicht auch lieber mit aufmerksamen, konzentrierten Menschen zusammen sein? Wer die Verantwortung für das Maß der Aufmerksamkeit übernimmt, die er seinem Handeln widmet, wird eine bessere Welt erschaffen für sich und andere.
Eine Geschichte macht dieses unhintergehbare »Hier und Jetzt« sehr schön deutlich: Ein Bauer, der zu Vermögen gekommen war, ging zu einem Weisen in die Berge und sagte: »Schreibe mir etwas über die Weisheit, wie ich weise werde.« Der Weise setzte sich hin, rieb einen Tuschstein, bereitete die Tusche vor, nahm sorgfältig den Pinsel und das Papier und schrieb mit aller Sorgfalt: »Aufmerksamkeit«. Der Bauer sah das Blatt mit Wohlwollen und sagte zu dem Weisen: »Schreibe mir noch mehr.« Der Weise setzte sich geduldig hin, nahm ein zweites Blatt Papier und schrieb mit derselben Sorgfalt darauf: »Aufmerksamkeit, Aufmerksamkeit, Aufmerksamkeit.« Jetzt fühlte der Bauer sich etwas verunsichert, wusste aber nicht, ob der Weise ihn auf den Arm nehmen wollte. Er fragte deshalb leicht aggressiv: »Und was ist Aufmerksamkeit?« Da antwortete der Weise, ihm freundlich zugewandt: »Aufmerksamkeit ist Aufmerksamkeit.«
|183| Von Wegen und Zielen
Entschiedenheit, Konsequenz und Initiative werden im Regelfall auf Ziele bezogen, die sich zu setzen und zu erreichen gleichsam die Meisterschaft im Leben ausmachen. Ein kurioses Beispiel für diese Zielorientierung konnte jüngst der Amsterdamer Flughafen vermelden. Dort hatte man sich jahrelang über die Verunreinigung der Urinale in den Herrentoiletten geärgert. Das Problem erledigte sich schlagartig, nachdem man eine sogenannte »Pissfliege« als Zielobjekt in die Becken geklebt hatte. Volltreffer!
Die Lebensplanung der Menschen ist eher an einer anderen Fortschrittsidee, an
zeitlichen
Zielen orientiert. Die Vergangenheit ist eine Katastrophe, die Gegenwart genügt nie. Mithin wird der Blick angestrengt in die Zukunft gerichtet. Zielerreichung um (fast) jeden Preis ist oft die unausgesprochene Losung vieler Lebensplanungen. Das Wochenende. Der Urlaubsbeginn. Das neue Auto. Die Beförderung. Das größere Haus. Die Rente.
Der Weg dorthin wird oft gering geschätzt, das Wie der Zielerreichung vernachlässigt. Indem wir uns aber auf das Ziel konzentrieren, räumen wir der Zukunft auf Kosten der Gegenwart den Vorrang ein. Bisweilen kommt die Gegenwart gar nicht mehr vor. Das ist die – auch politische – Moral, nach der der Zweck die Mittel heiligt.
Das Leben ist in dieser Perspektive ein einziges
Vorbereiten
: »Wenn ich erst dieses Ziel erreicht habe, dann werde ich …«, »Beim nächsten Karrieresprung bin ich zufrieden, dann kann ich …«, »Wenn ich erst mal meine Rente habe, dann …«
Eine knapp 40-jährige Frau, die eine einflussreiche und wohldotierte Anstellung gekündigt hatte, um ein Zweitstudium aufzunehmen, machte eine eigenartige Erfahrung: »Mit |184| wem auch immer ich sprach, alle fragten sofort: ›Und dann?‹ Kaum jemand interessierte sich für das Studium selbst. Alles Interesse galt der Zeit
danach
.« Dem Studium kommt offenbar kein Eigenwert zu, es ist nur Mittel zum Zweck, nur Vorbereitung. Es bekommt Wert erst durch seine Überwindung. Eine Hürde, die zu nehmen ist, die ich »hinter mir lasse«.
»Die Zeit danach«: Der Schüler denkt ans Abitur, der Student
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