Die Entscheidung liegt bei dir!
Sie sein, wenn Sie nicht zwischenzeitlich Jura studiert haben?« »Auch 45.« »Eben.«
Viele sind mit 18 gestorben und werden erst mit 80 beerdigt. |187| Veränderungen sind jederzeit möglich. Dieses Leben aber ist das einzige, das Sie haben. Worauf also warten?
Der Weg ist das Ziel.
Das wird oft nachgeplappert, selten gelebt. Und es scheint mir eher von Frauen anerkannt zu werden. Abweichungen, Spontanes, Umwege, kurz: situationsbuntes Handeln fällt ihnen offenbar leichter. Dadurch entwickeln sie sich ständig weiter. Sie werden in einem ganzheitlichen Sinne dadurch noch leistungsfähiger, als sie es ohnehin schon sind. Umwege erhöhen die Ortskenntnisse!
Der Glückliche blickt nicht in die Zukunft. Er ist
jetzt
voller Energie. Engagement denkt nicht an morgen. Das »Carpe Diem« des Horaz, das in Peter Weirs Film
Der Club der toten Dichter
eine so unerwartete Wiedergeburt erfahren hat, meint diese Einmaligkeit des Augenblicks als Voraussetzung für Commitment.
Denn woher wissen Sie, ob Sie das Morgen noch erleben? Es ist viel praktischer, das Jetzt als die einzige Zeit zu begreifen, die Sie haben. Viele Menschen aber legen ihr Leben wie einen Versicherungsvertrag an: Heute gebe ich etwas, dann bekomme ich später etwas. So treiben viele Menschen aus gesundheitlichen Gründen Sport, weil sie glauben, damit ihre Lebenserwartung zu erhöhen. Um das Herzinfarktrisiko zu minimieren, quälen sie sich oft lustlos über die Runden. Wozu soll das gut sein? Es kann nicht darum gehen, mehr Jahre in das Leben zu bringen, sondern mehr Leben in die Jahre. Es geht um das Tun, das
jetzt
Freude macht, das
jetzt
geglücktes Leben ist. Vergangenheit und Zukunft können zum Glücklichsein nichts beitragen. Ein amerikanisches Sprichwort lautet: »Leben ist das, was dir passiert, während du andere Pläne schmiedest.«
|188| Aber so, wie viele Menschen auf ein besseres Morgen warten (wie immer das aussehen mag: Sie warten auf den Feierabend, das Wochenende, den Urlaub, die Beförderung, die Rente …), ebenso sind die meisten Lebenspläne solche des
Vorbereitens
. Wir wollen von Hamburg nach München. Und der Weg dazwischen? Reisen? Transportieren! Es geht nur noch ums Ankommen. Leben, um Ziele zu erreichen. Leben als Countdown. Eine atemlos-hechelnde Mobilität ist blind für die Gegenwart. Der Blick ist ständig in die Zukunft gerichtet. In dieser Mittelbarkeit verschwinden die Freude am Da-Sein und der Wert des Jetzt.
Das vertrackte »um zu« wird mentalitätsbestimmend. Stellen Sie sich vor, wie viel Lebenszeit Sie an Ihrem Arbeitsplatz verbringen. Wer hier die Lust verloren hat, der ist verloren. Wenn Sie Ihren Job nur mit 60 Prozent Ihrer Energie machen, betrügen Sie sich selbst um gelebtes Leben. Wenn Sie an Ihrem Schreibtisch sitzen und von Hawaii träumen, sind Sie weder an Ihrem Schreibtisch noch auf Hawaii. Warum tun Sie sich das an? Sie werden krank oder destruktiv oder beides.
Der wahre Reisende aber hat kein Ziel, nur eine Richtung. Er geht nicht irgendwohin, sondern entdeckt ständig, dass er anderswo ist. Er reist nicht, um die Distanz zum Ziel zu
überwinden
, sondern um Distanz zu
entdecken
. Manchmal muss man sogar vom Weg abkommen, um nicht auf der Strecke zu bleiben.
Wie überall, so lauert auch hier das Missverständnis. Ein völliger Verzicht auf Ziele hieße, sich hinter Klostermauern zurückzuziehen. Ziele nützen der Orientierung und geben dem Handeln Richtung. Sie können Energien bündeln. Auch brauchen wir eine gewisse Voraussicht, um Gefahren abzuwenden und das Wohlergehen beispielsweise unserer Familie auch langfristig zu sichern. In aller Deutlichkeit wende ich |189| mich gegen eine Einstellung, die »Bedürfnisbefriedigung jetzt – und nach mir die Sintflut« heißt. Keine Frage: Verantwortlich handeln heißt auch sehen, wohin wir gehen.
Es geht mir um die Energie, die Sie in das Jetzt investieren und mit der Sie den Augenblick erleben. Da kommt mir die ermutigende Zuversicht des französischen Schriftstellers Manès Sperber am Ende seiner Autobiografie zu Hilfe: »… das Ziel, also der Sinn, liegt in seinem Tun und nicht an dessen Ende.« Das Problem entsteht erst, wenn Sie sich so auf das Ziel versteifen, dass Ihnen der Weg der Gegenwart keine Freude mehr bereitet. Wenn Sie sich starr an ein bestimmtes Resultat binden. Wenn die Energie nicht mehr ins Heute, sondern ins Morgen fließt.
Viele stehen immer
kurz davor zu leben.
Gemeint ist hier die Fähigkeit, Aufmerksamkeit willentlich
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