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Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Siebern
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sie darauf bedacht zu sein, sich so wenig wie möglich dreckig zu machen, und achtete mehr auf ihre Kleidung als auf den Weg. Aber Raika zu kritisieren stand Liliana nicht zu. Noch nicht zumindest. Denn wenn sie erst einmal Marlenes Vertreterin war, dann würde sie mit Raika auf einer Stufe stehen. Bis dahin allerdings musste sie sich wohl zurückhalten.
    „Nun gut“, lenkte Liliana schließlich ein. „Wir vergeuden Zeit. Vielleicht sollten wir uns einfach wieder auf den Weg machen, um weiterzusuchen. Ich schlage vor, wir gehen Richtung Norden.“
    „Das ist zur Abwechslung mal eine gute Idee“, erklärte Raika und erhob sich wieder von ihrem imaginären Thron. „Wo ist Norden?“
    Liliana biss sich auf die Zunge und ballte die Fäuste. Es sah so aus, als würde es noch eine lange Reise werden.
    Nachdem Laney ihre Hose und eins von Darreks T-Shirts angezogen hatte, verbrachte sie fast eine halbe Stunde lang mit Grübeln und Fluchen, bis sie hörte, wie vor der Türe Möbelstücke zur Seite geschoben wurden.
    Das musste Darrek sein. Anders konnte es gar nicht sein. Aber wenn er wirklich glaubte, dass sie freiwillig mit ihm ins Auto steigen würde, um Island zu verlassen, dann hatte er sich gewaltig geschnitten. Da würde er sie schon fesseln und knebeln müssen. Bedauerlicherweise waren das durchaus Dinge, die sie ihm zutrauen würde. Aber soweit würde es hoffentlich nicht kommen.
    Verdammt, es ging hier immerhin nicht um schwere Körperverletzung oder Vergewaltigung. Sie hatte bloß neuerdings eine Glatze. Nicht schön, aber auch kein Weltuntergang. Auf ihr Ego hatte das keinerlei Auswirkungen, und ob Darrek das anders empfand, war ihr scheißegal.
    Mady würde sterben, wenn Darrek ihr nicht half. Und außerdem würden die Dorfbewohner den Kaltblütern jetzt nicht mehr beim Kampf gegen die Ältesten beistehen. Bei dieser Geschichte konnten sie doch nur verlieren. Warum nur verstand Darrek nicht, dass man seinen Stolz auch manchmal einfach herunterschlucken musste?
    Laney war bereit, Darrek direkt an die Kehle zu fallen, als der Schlüssel im Schloss herumgedreht wurde. Sie riss mit einem Ruck die Tür von innen auf und wollte gerade auf ihren Peiniger losgehen, als sie verwirrt innehielt. Vor der Tür stand nicht Darrek, sondern ein kleiner Junge mit einer Klammer auf der Nase und einem Bündel auf dem Rücken.
    Laney schnappte nach Luft.
    „Janish?“, fragte sie ungläubig. „Was zum Kuckuck treibst du hier?“
    Janish lächelte entschuldigend.
    „Tut mir leid, wenn ich störe“, sagte er. „Aber Swana hat mich gebeten, dir das hier zu bringen.“
    Sein Englisch war erstaunlich gut. Er nahm das Bündel von seinem Rücken und reichte es ihr. Laney brauchte es gar nicht ganz auszupacken, um zu wissen, dass sie Mady in den Armen hielt. Das Baby schlief tief und fest und sah vollkommen zufrieden aus. Sofort stiegen Laney Tränen in die Augen.
    „Swana will, dass ich Mady mitnehme?“, fragte Laney betroffen. „Sie denkt, dass ich fortgehe, und glaubt, dass Mady bei mir in Sicherheit ist? Das heißt, sie will sich selber opfern.“
    Janish nickte ernst und sah dabei sehr traurig aus. Es war für ihn schon lange nichts Besonderes mehr, dass die Vampire um ihn herum starben. Aber Swana schien ihm tatsächlich näher zu stehen als seine eigene Mutter es je getan hatte.
    „Wie hast du mich überhaupt gefunden?“, fragte Laney nach. „Und warum trägst du eine Klammer auf der Nase?“
    „Ich kann den Geruch von Menschen noch nicht so gut haben“, erklärte Janish. „Es ist sicherer, wenn ich sie nicht rieche. Und gefunden habe ich dich … Na ja, eigentlich weiß ich das auch nicht so genau. Ich habe einfach ganz fest an dich gedacht. Und dann wusste ich irgendwie automatisch, wo ich hinmusste.“
    Erstaunt betrachtete Laney den kleinen Jungen.
    „Janish. Weißt du schon, was für eine Gabe du hast?“, hakte sie nach.
    „Keine Ahnung“, antwortete Janish. „Bisher dachte ich immer, dass ich gar nichts Besonderes kann.“
    „Nun. Da hast du dich wohl geirrt. Ich glaube, ich weiß, worin deine Gabe besteht. Und ich weiß auch, was wir beide jetzt tun werden.“
    Darrek war ursprünglich nach Island gekommen, weil er nach jemandem gesucht hatte, der auch über weite Distanzen Vampire aufspüren konnte. Und es sah aus, als hätte Laney diesen Jemand soeben gefunden.
    Darrek ließ sich mit dem Autoholen Zeit. Er hatte es nicht eilig, sich abermals Laneys Zorn auszusetzen. Denn sie würde wütend sein.

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