Die Entscheidung
Soviel war sicher. Und wahrscheinlich sogar zu Recht. Vielleicht hatte er tatsächlich einen Fehler gemacht. Zwei Fehler, um genau zu sein. Den ersten, als er das Dorf so kopflos verlassen hatte. Und den zweiten, als er Laney im Badezimmer eingeschlossen hatte. Verdammt. Das war wirklich nicht die feine Art. Aber was wäre die Alternative gewesen? Ihr Recht geben? Und Johanna recht geben? Eingestehen, dass er falsch lag, und dass alle anderen richtig lagen? Es gab kaum etwas, das Darrek schwerer gefallen wäre.
Als Darrek den neuen Leihjeep vor dem Hotel zum Stehen brachte, lehnte er seinen Kopf gegen das Lenkrad und ballte die Hände zu Fäusten. Warum nur fiel es ihm so schwer, sich einen Fehler einzugestehen? Sein Leben lang hatte er gelernt, dass man zu seinen Entscheidungen stehen sollte. Und dass Ehre wichtiger war als Liebe oder Freundschaft. Und seine Ehre hatte Darrek sich stets bewahrt.
Darrek sah zum Gasthof hinauf und verzog missmutig den Mund. Warum nur musste er so viele schwierige Entscheidungen treffen? Er hatte das Ganze so satt. Er wollte nicht, dass die kleine Mady sterben musste. Er kannte das Kind zwar kaum, aber sie war ein warmblütiges Kind und somit an sich schon schützenswert. Doch Darrek konnte einfach nicht darüber hinweg sehen, was die Outlaws mit Laney angestellt hatten. Ihr Schluchzen, als sie sich selbst zum ersten Mal im Spiegel gesehen hatte, würde er niemals wieder vergessen können. Wie also sollte er sich verhalten?
Darrek atmete noch einmal tief durch und stieg dann aus dem Auto. Noch länger sitzen zu bleiben, würde auch nicht helfen. Und es dämmerte langsam schon. Wie immer er sich entschied, er würde schnell handeln müssen. Denn entweder gingen sie zurück, um dem Dorf zu helfen. Oder sie fuhren nach Reykjavik, um den nächsten Flieger zu nehmen und Island wieder zu verlassen. So oder so mussten sie sich beeilen. Denn Darrek hatte der Wirtin versprochen, das Zimmer vor Sonnenuntergang zu räumen.
Als Darrek an der Rezeption vorbeilief, wurde er plötzlich von der dicken Frau aufgehalten.
„Warten Sie, Mister“, bat die Wirtin.
Darrek verdrehte die Augen.
„Was denn nun? Wir sind doch schon so gut wie weg. Deswegen bin ich ja hier. Meine Frau …“
„Ihre Frau hat mir das hier für sie gegeben“, erklärte die Wirtin und hielt Darrek ein Stück Papier entgegen. „Ihr ging es scheinbar schon wieder besser. Denn sie hat gar nicht mehr wirr gesprochen oder geschrien. Insofern …“
Darrek hörte ihr schon gar nicht mehr zu. Sofort riss er der Wirtin das Papier aus der Hand und faltete es auseinander. Darauf standen nur zwei Sätze geschrieben.
Du weißt, wo du mich findest. Wir treffen uns dort.
Keine Einleitung. Keine Unterschrift. Keine Erklärung, aber auch kein Vorwurf.
Schnörkellos und direkt. Darrek sah auf und musste plötzlich lachen. Es sah so aus, als würde er doch nicht in die Situation kommen sich entscheiden zu müssen. Denn diese Entscheidung war ihm soeben abgenommen worden.
Kapitel 34
Der Opferstein
Es war eine absolute Katastrophe. Nichts lief so, wie es laufen sollte. Darrek, ihr Bruder, auf den sie so viele Hoffnungen gesetzt hatte, war fort. Die Sonne ging langsam unter und sie hatten nicht einmal das Opfer da, auf welches der Dämon es abgesehen hatte.
„Der Himmel verdunkelt sich“, sagte Gandolf mit träumerischem Blick. „Der Dämon ist hungrig und verärgert.“
„Das wissen wir“, erwiderte Johanna, die neben dem alten Mann vor der Statue stand. „Aber ich kann es nicht ändern. Ich habe sofort Männer ausgeschickt, um nach Janish und Mady zu suchen, aber es ist hoffnungslos.“
„Tja. Es mag dir eigenartig vorkommen, Johanna“, sagte Haldor. „Aber ich kann Swana verstehen.“
Ungläubig starrte Johanna den hässlichen Mann an.
„Jetzt erzähl mir nicht, dass du Vatergefühle für die kleine Mady entwickelt hast.“
Haldor schüttelte den Kopf.
„Nein. Dafür kenne ich sie zu wenig. Und der Dämon hat sich schon mehr als eines meiner anderen Kinder geholt. Aber Swana, und vor ihr Viktoria, sind nach langer Zeit die ersten, die dem Dämon wieder Paroli bieten. Das ist keine Selbstverständlichkeit.“
Johannas Augen formten sich zu Schlitzen.
„Warum sagst du so etwas, Haldor?“, fragte sie. „Dir muss doch klar sein, dass deine Worte keine große Hilfe sind.“
„Nach Krieg kommt Frieden“, schaltete Gandolf sich dazwischen, als er sah, wie Johanna und Haldor sich anfunkelten. „Aus der Asche
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