Die Entscheidung
Rucksäcken im Auto.“
Darrek fing den Schlüssel gekonnt auf und grinste.
„Vielen Dank“, rief er nach oben. „Warum denn nicht gleich so?“
Er lief zurück zu seinem Jeep und holte die Rucksäcke. Dann packte er sie auf den Rücksitz des fremden Kleinwagens und warf Laney einen auffordernden Blick zu.
„Worauf wartest du noch, Prinzessin?“, fragte er. „Die Zeit rennt. Oder soll ich dich zum Auto tragen?“
Missmutig schüttelte Laney den Kopf und setzte sich auf die Rückbank. Sie hatte einfach keine Lust, Darrek nahe zu sein.
„Du bist wirklich ein Arschloch“, stellte sie fest, als er ungerührt den Wagen startete.
„Wie schön. Es ist dir aufgefallen“, sagte Darrek sarkastisch. „Das freut mich. Ich arbeite schließlich schon seit Jahren daran.“
Laney verdrehte die Augen und ließ das Fenster herunter, um frische Luft hereinzulassen. Doch als Darrek gerade Fahrt aufgenommen hatte, packte sie die beiden Rucksäcke der Engländer und warf sie aus dem Fenster. Sie kullerten den Abhang hinunter und blieben zwischen einigen Sträuchern hängen. Die jungen Leute würden zwar eine Weile brauchen, um sie zu bergen, aber so hätten sie zumindest Proviant und Wasser.
Sofort stoppte Darrek den Wagen und funkelte Laney an.
„Hol sie zurück“, forderte er.
„Das lohnt sich nicht“, gab Laney zurück. „Es könnte mich wertvolle Zeit kosten, da hinunterzuklettern. Und du hast gesagt, es eilt. Also konzentrier dich lieber auf das Wesentliche.“
Wütend starrte Darrek Laney an und seine Kieferknochen mahlten.
„Du spielst mit dem Feuer, Prinzessin“, sagte er dann und fuhr wieder los. „Du kannst wirklich froh sein, dass wir es eilig haben. Ansonsten hätten die Menschen da draußen gewiss mehr verloren als nur ihr jämmerliches Auto. Immerhin haben sie unseren Unfall verursacht.“
„Es war aber keine Absicht, Darrek.“
„Das ist doch vollkommen gleichgültig.“
„Mir nicht. Ein Mensch, der jemanden aus Versehen überfahren hat, wird schließlich auch nicht wegen Mordes verurteilt.“
Darrek schwieg einen Moment und betrachtete Laney im Rückspiegel.
„Du hast eindeutig zu lange unter Menschen gelebt“, stellte er fest und konzentrierte sich dann wieder aufs Fahren. Sie hatten noch einen langen Weg vor sich.
Darrek würde nicht pünktlich kommen. Nicht an diesem Vollmond. Das war offensichtlich. Es war bereits später Nachmittag und die Sonne verschwand langsam hinter den Gletschern und läutete somit die Nacht ein.
Niemand reiste an Vollmond alleine durch die Berge, wenn es dort Wilde gab. Auch Darrek würde das nicht tun. Und das bedeutete, dass Mady in dieser Nacht sterben würde.
„Er wird es nicht schaffen“, sagte Johanna traurig.
„Wer wird es nicht schaffen, Amma?“, fragte Viktoria irritiert.
Sie war mit ihren Gedanken immer noch bei ihrer Tochter und ihrer Enkelin. Die Szene auf dem Dorfplatz war schrecklich gewesen. Swana hatte den Sinn von Johannas Worten im ersten Moment gar nicht erfassen können. Es war, als hätte sie geglaubt, ihre Liebe für Mady würde ausreichen, um sie vor dem Dämon zu schützen. Doch als sie verstanden hatte, dass man ihr Baby dem Dämon opfern würde … nein, opfern musste … da war bei ihr eine Sicherung durchgebrannt. Sie hatte geschrien und gezetert, um sich getreten und nach jedem geschlagen, der ihrem Kind zu nahe kam. Doch dann war Einar auf sie zugekommen und hatte seine Schwester in den Arm genommen. Er hatte sie gehalten, bis sie sich wieder beruhigt hatte, und ihr dann in die Augen gesehen.
„Bitte nicht“, hatte Swana gefleht, als ihr klar wurde, was er vorhatte.
„Ich muss“, hatte Einar erwidert und im nächsten Moment war Swana bewusstlos geworden und seither nicht wieder aufgewacht.
Johanna hatte Einars Gabe immer bewundert. Er war dazu imstande, bei jedweder Person Erinnerungen zu löschen, die bis in die tiefste Vergangenheit zurückreichten. Und in diesem Falle war ein positiver Nebeneffekt dieser Fähigkeit, dass der Betroffene mindestens einen halben Tag lang ins Koma fiel.
Johanna wusste nicht, wie viele von Swanas Erinnerungen Einar gelöscht hatte, aber sie hoffte, dass es alle waren, die mit Mady zu tun hatten. Auf diese Weise würde sie den Verlustschmerz nicht ertragen müssen, sondern konnte wieder zuversichtlich in die Zukunft blicken. Sie war schließlich noch jung. Sie würde wieder ein Kind bekommen. Mady war ersetzbar. Genau wie alle anderen Kinder, die der Dämon sich im Laufe der
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