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Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Siebern
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Jahre geholt hatte.
    Viktoria schien das allerdings anders zu sehen. Es war eindeutig, dass sie gerne Madys Platz eingenommen hätte, um dem Kind das Leben zu retten. Johanna konnte ihr das Gefühlschaos regelrecht ansehen. Aber Viktorias Opfer würde nichts bringen. Das hatte der Dämon schon ganz klar gezeigt. Er akzeptierte zwar Ersatzopfer, kam aber beim nächsten Vollmond wieder, nur um sein ursprüngliches Opfer mit noch größerer Intensität zu suchen. Wen er einmal auserwählt hatte, auf den beharrte er.
    Johanna warf ihrer Enkelin einen mitleidigen Blick zu. Obwohl Viktoria bereits selber Großmutter war, gehörte sie noch zu den Frauen im gebärfähigen Alter. Sie hatte Swana und Einar das Leben geschenkt, als sie selbst noch sehr jung gewesen war. Einar hatte sie mit sechzehn bekommen und Swana mit zwanzig. Danach war sie fortgegangen und hatte die beiden der Fürsorge von Anna und Johanna überlassen. Als sie zehn Jahre später wieder zurückgekommen war, hatte sie Janish zur Welt gebracht und außerdem zwei Fehlgeburten gehabt. Sie wusste insofern genau, wie es war, ein Kind zu verlieren.
    „Ich rede von Darrek“, sagte Johanna, um Viktoria auf andere Gedanken zu bringen. „Er wird es nicht schaffen.“
    „Dein Bruder?“, fragte Viktoria auf einmal hellhörig.
    „Halbbruder. Und noch dazu väterlicherseits.“
    „Ja. Du hast mir früher oft von ihm erzählt, als ich klein war.“
    Viktoria war zu einem Großteil bei Johanna aufgewachsen und Johanna hatte es immer geliebt, ihren Enkeln Geschichten zu erzählen.
    „Warum glaubst du, dass er kommt?“
    „Ich glaube es nicht. Ich weiß es.“
    Viktoria nickte. Sie wusste über die Gabe ihrer Großmutter Bescheid und ebenso über die Fähigkeiten ihres Halbbruders. Darrek hatte fünfzehn Jahre im Dorf gelebt. Das war allerdings so lange her, dass nicht einmal ihre Mutter zu dieser Zeit gelebt hatte.
    „Glaubst du, er kann uns helfen?“, fragte Viktoria nachdenklich. „Du hast gesagt, er könnte Gaben manipulieren. Glaubst du, er könnte …“
    Johanna schüttelte traurig den Kopf.
    „Nicht an diesem Vollmond, Vicky, mein Mädchen.“
    Bedauernd strich sie ihrer Enkelin über das lange rotbraune Haar. Viktoria war nie sonderlich schön gewesen. Ihr Körper war gedrungen und ihre Augen standen leicht schief. Außerdem hatte sie seit ihrer letzten Schwangerschaft einige Kilo zu viel auf den Hüften. Sie war auch emotional nie sonderlich stark gewesen. Als ihr der Druck zu hoch wurde, hatte sie ihre Kinder verlassen, ohne auch nur einmal zurückzusehen. Dass sie später wieder zurückgekommen war, hatte nur mit Maelles Träumen zu tun gehabt.
    Nein. Viktoria war nicht stark. Aber sie war und blieb Johannas Enkelin. Und Johanna liebte sie, wie sie alle ihre Nachkommen liebte.
    „Nicht an diesem Vollmond“, wiederholte Viktoria die Worte. „Aber vielleicht beim nächsten?“
    „Ja. Vielleicht“, gab Johanna zu. „Aber das wird Swanas Baby auch nicht mehr helfen, wenn der Dämon heute Nacht auftaucht. Und das wird er. Da bin ich sicher.“
    Viktoria nickte. Wie alle Eltern machte sie sich Vorwürfe, weil sie ihre Kinder nicht besser schützen konnte. Johanna selber hatte sich schon mehr als einmal gewünscht, den Platz eines Kindes auf dem Opfertisch einnehmen zu können. Aber der Dämon verschmähte Vampire ab einem bestimmten Alter. Möglicherweise schmeckte ihr Blut ihm dann einfach nicht mehr. Wer konnte das schon so genau wissen.
    „Swana ist nicht wie ich, weißt du, Amma?“, sagte Viktoria nachdenklich. „Sie würde Mady niemals freiwillig verlassen. Sie wäre nicht fortgegangen, um die Welt zu bereisen. So ist sie nicht.“
    „Quäle dich nicht so, Viktoria“, riet Johanna. „Niemand macht dir Vorwürfe. Du hast damals nur getan, was alle Jungvampire in einem bestimmten Alter tun. Du wolltest dein eigenes Leben leben.“
    „Ja. Vielleicht war das eben mein Fehler. Vielleicht ist das unser aller Fehler. Vielleicht … vielleicht liegen wir falsch in der Annahme, dass Kinder ersetzbar sind. Vielleicht sollten wir uns stattdessen lieber selbst opfern.“
    „Und dann? Wenn wir die Kinder schützen wollten, würden wir jeden Monat einen Dorfbewohner verlieren. So ist es nur zweimal im Jahr. Das ist eine ganz einfache Rechenaufgabe. Eine Mutter mit fünf Kindern kann sich nicht opfern, um eins zu retten. Denn was soll dann aus den anderen werden? Sieh dir Maelle an.“
    „Die Gemeinschaft …“
    „Die Gemeinschaft würde in

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