Die Entscheidung
konnten. Es war Stunden her, seitdem Einar und Swana das Baby von ihm weggeholt hatten, und er fühlte sich schrecklich einsam. Er hatte sich selbst nie für sonderlich sozial gehalten. Meistens war er auf einer Party der erste, der nach Hause ging, oder er dachte sich einen Vorwand aus, um gar nicht erst kommen zu müssen. Am liebsten verbrachte er seine Zeit vor dem Computer oder unternahm alleine lange Wanderungen. Es war nicht so, dass er keine Freunde hatte, aber die akzeptierten seine Eigenarten stillschweigend und respektierten seinen Wunsch nach Privatsphäre.
Jetzt gerade hätte er aber alles dafür getan, sich in einem riesigen Raum voller Menschen zu befinden. Am liebsten auf einer Weihnachtsfeier mit so viel Essen, dass man unmöglich alles verzehren konnte. Georges Magen knurrte wieder.
„Mensch?“, flüsterte in diesem Moment eine Stimme von oben. „Hey, Mensch.“
George bewegte sich zur Seite, um nach oben gucken zu können. Der Himmel zog sich langsam zu und er mochte sich noch gar nicht ausmalen, wie kalt ihm erst werden würde, sobald es anfing zu regnen.
„Da bist du ja.“
George blinzelte und erkannte dann Johannas Urenkel Janish. Sofort zog er sich zurück. Er hatte kein Interesse daran, wieder von ihm gepiesackt zu werden.
„Hey, warte“, bat Janish. „George. George heißt du doch, oder? Ich soll dir was von meiner Schwester bringen.“
Der Junge ließ eine Kanne zwischen den Gitterstäben hinab in das Erdloch. Sie hatten das obere Gitter notdürftig wieder eingesetzt, aber wie es aussah, hatte Einar mit seinem Bruder geredet, sodass dieser keine unmittelbare Gefahr mehr darstellte.
Misstrauisch griff George nach der Kanne und öffnete sie. Der Geruch nach frischer Suppe stieg ihm in die Nase, und sofort lief ihm das Wasser im Mund zusammen.
„Die hat meine Schwester extra für dich gekocht“, verkündete Janish. „Keine Ahnung, warum sie dich mästet, wenn sie ohnehin nicht vorhat, von deinem Blut zu trinken.“ Er zuckte mit den Schultern. „Frauen.“
George ließ ein wenig von der Suppe in den Deckel laufen. Es war eine Gemüsesuppe mit Fleischeinlage.
„Den Vogel habe ich erlegt“, verkündete Janish stolz. „Wo Swana das Gemüse her hat, weiß ich nicht. So viele Kräuter wachsen ja nicht mehr um diese Jahreszeit.“
George war es gleichgültig, wo das Essen herkam, solange er endlich etwas anderes in den Magen bekam als Wasser und Brot. Er probierte die Suppe und seufzte, als die warme Flüssigkeit ihn von innen erwärmte. Das Gebräu war nicht gerade schmackhaft. Es fehlten allerlei Gewürze, damit es wirklich lecker gewesen wäre. Aber sie war nahrhaft und warm. Das genügte George vollkommen.
„Sag deiner Schwester vielen Dank“, sagte George, bevor ihm klar wurde, dass das hier möglicherweise eine Art Henkersmahlzeit sein sollte.
Janish grinste.
„Mache ich. Aber ich muss warten, bis du alles ausgetrunken hast. Ich muss die Kanne wieder mitnehmen. Sonst kriege ich Ärger.“
Na, deine Probleme möchte ich haben, dachte George und trank einen weiteren Schluck Suppe. Er wünschte, eine leere Kanne wäre auch sein einziges Problem.
Der Wind frischte auf. Der Himmel wurde immer dunkler und die ersten Regentropfen fielen auf die Erde. Sie würden es nicht schaffen, das Dorf zu erreichen, bevor das Unwetter begann. Aber statt einen Unterschlupf zu suchen und das Schlimmste abzuwarten, trieb Darrek Laney immer mehr zur Eile an.
„Komm schon“, sagte er, als Laney zum wiederholten Male zurückblieb. „Es ist nicht mehr weit. Und ich vermute, dass du auch nicht besonders scharf darauf bist, die Nacht im Freien zu verbringen, oder?“
Laney biss sich auf die Unterlippe. Sie liefen nun seit fünf Stunden und hatten noch keine einzige Pause eingelegt. Ihre Füße schmerzten, sie hatte sich in den neuen Schuhen eine Blase gelaufen und sie war erschöpft. Diese Tortur erinnerte sie sehr an die Entführung vor einigen Wochen. Damals war William da gewesen, um ihr zu helfen, wenn sie nicht mehr konnte. Doch bevor sie Darrek bat, sie zu tragen, würde sie sich lieber die Füße blutig laufen.
Laney war so in Gedanken versunken, dass sie fast mit Darrek zusammengeprallt wäre, der mitten vor ihr einfach stehen geblieben war.
„Was ist denn?“, fragte Laney, bevor sie den Grund für Darreks Stoppen sehen konnte.
Mitten auf dem Weg waren die Reste einer kleinen Feuerstelle zu erkennen. Der Mensch musste hier eine Pause gemacht haben. Neben der Asche lagen
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