Die Entscheidung
Felsen war von hier aus gut erkennbar und überragte die umliegenden Felsen bei weitem.
„Dahinter liegt das Dorf.“
Es konnten nicht mehr als zwei Kilometer sein. Und sobald sie da waren, würden sie endlich aus der nassen Kleidung herauskommen. Laney straffte die Schultern.
„Wo…wo…worauf warten wir dann noch?“, fragte sie.
„Auf eine Eingebung“, gab Darrek zurück. „Ich weiß, was du denkst. Wir können uns ja hinüber hangeln. Aber das Seil ist bemoost und glitschig. Unsere Hände sind kalt und ungelenk. Wenn ich alleine wäre, würde ich es wahrscheinlich riskieren. Aber mit dir …“
Laney sah ihn einen Augenblick an, machte dann einen Schritt nach vorne und griff nach dem Seil. Darrek legte eine seiner Hände über ihre. Sie war erstaunlich warm im Gegensatz zu ihrer eigenen.
„Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist, Prinzessin“, sagte er besorgt.
„Ach nein? Dann werde ich dir jetzt mal etwas über Prinzessinnen erzählen, Darrek. Es gibt zwei Sorten davon. Bei den Gebrüdern Grimm mag es noch so gewesen sein, dass die Königstöchter völlig hilflos waren. Dornröschen, Schneewittchen und Rapunzel sind völlig untätig geblieben und haben nur auf ihren blöden Prinzen gewartet. Und die kleine Meerjungfrau ist sogar gestorben, weil sie es nicht geschafft hat, ihren Geliebten zu halten. Bei Disney sieht das aber schon ganz anders aus. Da werden die Prinzessinnen immer mutiger, bieten ihren Vätern und ihren Männern die Stirn und kämpfen für ihre Liebe und ihr Glück. Und weißt du was? Ich gehöre zu der zweiten Sorte. Ich bin müde, meine Füße bluten und mir ist kalt. Also lass uns verdammt noch mal endlich zu diesem Dorf kommen, in Ordnung?“
Überrascht von diesem Ausbruch ließ Darrek ihre Hand wieder los und nickte.
„In Ordnung“, lenkte er ein. „Aber … zieh wenigstens deine Handschuhe an. Dann hast du ein wenig mehr Halt.“
Laney folgte seinem Rat und zog die Handschuhe aus der Tasche. Sie hatte gar nicht mehr daran gedacht, dass sie welche dabei hatte. Aber als sie sie überstülpen wollte, musste sie feststellen, dass ihre Finger viel zu unbeweglich dafür waren. Sie zitterte am ganzen Körper.
„Lass mich mal, Prinzessin“, forderte Darrek ungeduldig und griff nach ihren Händen.
Er stellte sich ganz nah zu ihr und beugte sich nach vorne, um so den Regen von ihr abzuhalten. Dann nahm er ihre Hände in seine, hauchte mit seinem warmen Atem dagegen und rubbelte ihre Finger so lange, bis sie sich wieder bewegen ließen. Laney wagte nicht sich zu rühren. Sie beobachtete nur voller Faszination, wie er ihr völlig routiniert die Handschuhe anzog, so als hätte er das schon hundert Mal getan. Ihr Herz macht einen kleinen Sprung.
„Danke“, sagte sie.
Als Darrek ihren Blick bemerkte, zog er seine Hände schnell wieder zurück und räusperte sich. Er hatte nicht daran gedacht, wie vertraulich diese Geste wirken musste. Er hatte einfach nur nicht mit ansehen können, wie sie sich vergeblich mit den Handschuhen abmühte.
„Gern geschehen“, sagte er ausweichend. „Ich … ich denke, ich sollte als Erster gehen.“
„Genau“, sagte Laney sarkastisch. „Und dann reißt das Seil und ich bleibe alleine hier zurück. Wenn diese Brücke jemanden aushält, dann mich. Ich nehme unser Seil als Sicherungsleine mit. Dann kannst du mich von hier aus sichern. Und sobald ich drüben bin, kann ich es auf der anderen Seite an einen Baum binden. Ich glaube nämlich wirklich nicht, dass die Hängebrücke dich tragen wird.“
Darrek überlegte einen Moment und schob sie dann Richtung Hängebrücke. Je länger sie warteten, desto schwieriger würde es werden. Sie vergeudeten nur wertvolle Zeit. Sollte sie doch zuerst gehen. Immerhin hatte er angeboten vorzugehen. Kara konnte also nicht behaupten, er hätte es nicht versucht.
Nachdem Laney sich das Seil um die Hüften geschlungen hatte, wandte sie sich entschlossen ihrer Aufgabe zu. Sie beschloss die wenigen Bretter, die von der Hängebrücke noch übrig waren, zu missachten, und sich stattdessen voll und ganz auf die Seile zu konzentrieren. Instinktiv wählte sie die rechte Seite, weil die Seile stabiler aussahen. Es stürmte so sehr, dass die Hängebrücke stark schwankte. Trotzdem stellte Laney ohne zu zögern die Füße auf das untere Seil und hielt sich an dem oberen fest. Unter Darreks wachsamen Blick machte sie einen ersten Schritt. Das Seil spannte sich gefährlich, gab aber nicht nach. Laney kontrollierte
Weitere Kostenlose Bücher