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Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Siebern
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noch einmal den Knoten um ihrer Hüfte und sah, dass Darrek das Seil fest umklammert hielt. Er würde sie nicht loslassen. Da war sie sich sicher. Sie atmete einmal tief durch und kletterte dann los.
    Nicht nach unten sehen. Das war das Wichtigste, was sie zu beachten hatte. Nur nicht nach unten sehen.
    Ihr die Handschuhe anzuziehen war die beste Idee gewesen, die Darrek seit langem gehabt hatte. Durch die raue Oberfläche der Wolle rutschte sie nicht so leicht an dem nassen Seil ab, sondern konnte sich selbst dann gut abfangen, wenn ihre Schuhe von dem unteren Seil abrutschten.
    Laneys Herz klopfte ihr bis zum Hals. Sie versuchte ihr Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und konzentrierte sich voll und ganz darauf, einen Schritt vor den anderen zu setzen. Es war eigentlich nicht weit. Sie musste vielleicht noch fünf Meter schaffen. Aber mit dem reißenden Fluss unter sich kamen ihr fünf Meter plötzlich sehr viel vor.
    Du hast es fast geschafft, Laney , ertönte Darreks Stimme in ihrem Kopf und sie musste sich zusammenreißen, um sich nicht nach ihm umzublicken.
    Der Wind war inzwischen so laut, dass sie seine Stimme unmöglich hätte hören können. Aber auf diese stille Art verstand sie ihn klar und deutlich.
    Das sehe ich selber , gab Laney zurück. Und ich würde es vorziehen, wenn du aus meinem Kopf heraus bliebest. Du lenkst mich ab.
    Nun. Ich wollte dir eigentlich nur mitteilen, dass es nicht schlecht wäre, wenn du versuchen würdest, etwas schneller zu klettern.
    Ach ja? Warum denn? Hast du heute noch was vor?
    Nein. Aber das untere Seil beginnt langsam sich aufzuribbeln. Und ich wollte dir den Schock ersparen, plötzlich nur noch an dem oberen Seil zu hängen.
    Laney drehte sich erschrocken um. Es stimmte. Ein paar Meter hinter ihr hatte das untere Seil begonnen aufzuspringen. Sofort verlagerte Laney ihr Gewicht und versuchte sich mehr auf das obere Seil zu stützen. Doch dieses war offensichtlich noch weniger belastbar und gab einfach unter ihrem Gewicht nach.
    „Laney“, schrie Darrek und musste hilflos zusehen, wie das obere Seil wegriss und Laney mit den Armen ruderte, um das Gleichgewicht zu halten.
    Darrek umklammerte die Sicherungsleine, die ihr im Notfall das Leben retten konnte. Er wollte nach vorne springen. Wollte zu ihr und ihr helfen. Aber das konnte er nicht. Er konnte nur die Leine halten und zusehen, wie sie zwei Schritte auf dem Seil nach vorne machte und auf eine der verbliebenen Planken trat. Diese machte ein gefährlich knackendes Geräusch und Laney sprang seitlich zu dem anderen Seil, wo sie endlich wieder Halt fand. Darrek hatte das Gefühl, sein Herz wäre eine Minute lang stehen geblieben. Jeder andere wäre vermutlich längst in die Tiefe gestürzt, aber Laney hielt sich wacker.
    Mit neuem Mut machte sie sich an den letzten Abschnitt des Weges und hatte innerhalb von wenigen Sekunden die sichere Seite erreicht.
    Jag mir nie wieder so einen Schrecken ein , formte Darrek grimmig in ihrem Kopf. Verdammt. Das ist doch kein Zirkus hier.
    Ich bin drüben, oder nicht? Also hör auf zu grummeln und bind dir lieber schon mal das Seil um die Hüften. Ich suche inzwischen einen Baum.
    Guter Scherz. Hier gibt es doch gar keine Bäume.
    Doch hier ist einer. Er sieht sogar ziemlich stabil aus. Den nehme ich jetzt einfach.
    Darrek sah sich um. Am klügsten wäre es wahrscheinlich, wenn er das Sicherungsseil auch auf dieser Seite an einen Baum binden würde, um sich dann daran entlang zu hangeln. Bei diesem Seil konnte er sich zumindest sicher sein, dass es nicht reißen würde. Aber das Seil war nicht lang genug. Außerdem hatte auch keiner der Bäume die passende Dicke, um sein Gewicht zu tragen. Er konnte nur hoffen, dass es auf Laneys Seite tatsächlich anders aussah.
    Er würde sich wohl einfach auf sie verlassen müssen. Er sah schemenhaft, wie sie auf der anderen Seite das Seil um einen kümmerlichen Baum schlang und einen soliden Knoten in das Seil machte. Plötzlich musste er lächeln.
    Er hatte Karas Tochter unterschätzt. Sie war sehr viel mutiger und stärker, als er angenommen hatte. Und sie würde nicht zulassen, dass er umkam. Sie mochte ihn vielleicht nicht, aber sie waren jetzt ein Team. Und es wurde Zeit, auf ihre Seite zu wechseln.
    Vorsicht , sagte er. Rucksack im Anflug.
    Dann nahm er Anlauf und schleuderte die Rucksäcke einen nach dem anderen auf die andere Uferseite. Sie landeten nur wenige Meter von Laney entfernt und sie starrte überrascht zu ihm hinüber. Zufrieden

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