Die Entscheidung
„Gandolfs Geist ist schon seit langem auf Wanderschaft. Wenn wir ihn nicht wegen des Dämons brauchen würden … na ja. Dann würden wir ihn natürlich trotzdem ertragen. Er ist verrückt, aber alle hier mögen ihn.“
„Vielleicht ist er gar nicht so verrückt“, widersprach Darrek. „Vielleicht kann er einfach nur etwas wahrnehmen, was uns anderen verschlossen bleibt. So wie ich die Gaben anderer Vampire erspüren kann.“
Nachdenklich sah Johanna ihren Bruder an.
„Nun … vielleicht. Aber mir gefällt der Gedanke, dass er einfach nur verrückt ist, besser. Hier. Nimm einen Zug.“
Sie reichte Darrek eine selbstgedrehte Zigarette und er sah sie misstrauisch an.
„Ist das, was ich denke, das es ist?“
„Wir feiern heute und du bist gewiss nicht schwanger. Also nimm einen Zug. Dann kommt man mit Gandolf auch gleich viel besser klar.“
Sie zwinkerte ihm verschmitzt zu und Darrek nahm die Zigarette entgegen. Er zog daran und spürte sofort die beruhigende Wirkung der Droge. Es war ein besonderes Kraut, das dem Haschisch der Menschen in seiner Wirkung sehr ähnlich war. Es entspannte und machte locker und sorglos. Die Ältesten hielten nichts von dem Zeug, aber Darrek hatte es vor einhundert Jahren schon genossen, die Regeln zu brechen. Das Kraut ließ einen alle Sorgen vergessen oder zumindest sehr viel einfacher erscheinen.
In diesem Moment sah er, wie die jungen Leute sich zurückzogen. Nach und nach verschwanden sie alle zusammen mit Laney zwischen den Häusern. Sofort wollte Darrek aufspringen, um ihr zu folgen, aber Johanna hielt ihn zurück.
„Die jungen Leute werden am Dorfrand noch ein zweites Feuer entzünden“, erklärte sie. „Das machen sie immer so, weil wir ihnen wohl zu langweilig sind. Keine Sorge. Sie werden deiner kostbaren Laney schon nichts tun. Und falls doch, kann sie jederzeit nach dir rufen. Das Dorf ist ja nun wirklich nicht so groß, Darrek. Lass den jungen Leuten doch ihren Spaß.“
Darrek ließ sich wieder zurücksinken. Johanna hatte sicher recht. Laney konnte gut auf sich selbst aufpassen und benötigte ihn nicht als Babysitter. Und dennoch gefiel es ihm nicht, sie außerhalb seiner Sichtweite zu haben. Es war eindeutig, dass Einar sich mehr mit ihr vorstellen konnte als nur ein paar Spaziergänge durch das Dorf. Aber glücklicherweise war Laney viel zu klug, um auf seinen Charme hereinzufallen.
Darrek nahm noch einen Zug von der Zigarette, legte dann nervös die Finger aneinander und starrte ins Feuer. Hoffentlich blieb Laney nicht lange weg. Denn ihre Anwesenheit fehlte ihm jetzt schon.
Laney konnte sich nicht daran erinnern, wann sie zum letzten Mal so herzhaft gelacht und so viel Spaß gehabt hatte. Die Feiern im Herrenhaus waren immer sehr hölzern und bieder. Jeder musste perfekt angezogen sein und wehe man verkleckerte ein wenig Kunstblut. Die Tänze waren perfekt einstudiert und man begegnete einander stets mit Respekt und Hochachtung.
Hier war alles ganz anders. Die Feier war ausgelassen. Man tanzte, wie man wollte, und niemanden scherte es, wenn die Kleidung dabei Schaden nahm. Es wurde viel getrunken und gelacht. Die Outlaws hatten dem Kunstblut offenbar etwas beigemischt, das ähnlich wie Alkohol wirkte. Laney fühlte sich so leicht und überschwänglich wie schon ewig nicht mehr. Die Jungvampire hatten ihr zuliebe angefangen, Witze auf Englisch zu erzählen, und Laney kringelte sich bei jeder Kleinigkeit vor Lachen auf dem Boden. Egal, wie dämlich der Witz auch war.
„Okay, okay“, sagte Einar grinsend. „Ich kenn noch einen. Geht ein Vampir zum Bäcker und bestellt sich ein Brötchen. ‚Wozu brauchen Sie denn ein Brötchen?‘, fragt der Bäcker. ‚Drüben an der Ecke ist ein Unfall und ich will dippen gehen.‘“
Die ganze Gruppe fing schallend an zu lachen.
„Ich kenn auch einen guten“, erklärte Swana lächelnd. „Was kauft Dracula seinen Kindern zum Naschen?“
Erwartungsvoll sah sie in die Runde.
„Blutegel.“
Wieder lachten alle und Laney verschluckte sich fast an ihrem Kunstblut. In der spießigen Gesellschaft der Ältesten wären solche Witze absolut verpönt gewesen. Und unter normalen Umständen hätte Laney sie vermutlich auch etwas geschmacklos gefunden. Doch im Kreise dieser jungen Leute und durch die belebende Wirkung des Kunstblutes vergaß sie alle Hemmungen.
„‚Papi, Papi‘“, sagte Einar. „‚Was ist eigentlich ein Vampir?‘ ‚Frag nicht so blöd, sondern trink lieber dein Blut aus, bevor es hell
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