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Die Entstehung des Doktor Faustus

Die Entstehung des Doktor Faustus

Titel: Die Entstehung des Doktor Faustus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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der »Neuen Rundschau« bekannt geworden war. Oft hatte ich davon gesagt, diese Prosa stehe mir so nahe, »als wär’s ein Stück von mir«. Des {462} Ganzen nun ansichtig, war ich fast erschrocken über seine Verwandtschaft mit dem, was mich so dringlich beschäftigte. Dieselbe Idee der fingierten Biographie – mit den Einschlägen von Parodie, die diese Form mit sich bringt. Dieselbe Verbindung mit der Musik. Kultur- und Epochenkritik ebenfalls, wenn auch mehr träumerische Kultur-Utopie und -Philoso-phie, als kritischer Leidensausbruch und Feststellung unserer Tragödie. Von Ähnlichkeit blieb genug, – bestürzend viel, und der Tagebuch-Vermerk: »Erinnert zu werden, daß man nicht allein auf der Welt, immer unangenehm« – gibt diese Seite meiner Empfindungen unverblümt wieder. Es ist eine andere Fassung der Frage in Goethes
Diwan
: »Lebt man denn, wenn Andre leben?« und klingt übrigens an gewisse Äußerungen Saul Fitelbergs an über die Unwilligkeit der Künstler, von einander zu wissen, Äußerungen, bei denen ich aber nicht an mich dachte. Redliche Geringschätzung für die Mittelmäßigkeit, die von Meisterschaft nicht
weiß
und also ein leichtes, dummes Leben führt, gestehe ich ein und finde, daß viel zu viele Leute schreiben. Unter gleich Bedürftigen aber darf ich mich einen guten Kollegen nennen, der nicht ängstlich wegsieht von dem, was neben ihm Gutes und Großes geschieht, und der die Bewunderung viel zu sehr liebt, viel zu sehr an sie glaubt, als daß er die seine den Toten vorbehielte. Kaum je hatte es eine bessere Gelegenheit zu warmen und respektvollen Kameradschaftsgefühlen gegeben, zur Bewunderung einer reifen Meisterschaft, die, gewiß nicht ohne tiefe, verschwiegen-sorgenvolle Anstrengung, ihre Altersvergeistigung mit Humor und Kunst im Spielfähigen, Machbaren zu halten gewußt hatte. Ein vergleichendes Sich-absetzen gegen das Anerkannte verträgt sich damit sehr wohl. »Abends in Hesses Roman. ›Magister Thomas von der Trave‹ – und ›Joseph Knecht‹. Ihre verschiedene Art, das Glasperlenspiel zu traktieren, hübsch ge {463} kennzeichnet … Die Beziehungen im Großen verblüffend. Das Meine wohl zugespitzter, schärfer, brennender, dramatischer (weil dialektischer), zeitnäher und unmittelbarer ergriffen. Seines weicher, schwärmerischer, versponnener, romantischer und verspielter (in einem hohen Sinn). Das Musikalische durchaus fromm-antiquarisch. Nach Purcell nichts Edles mehr. Liebesleid und -lust von diesem ›Roman‹ ganz ausgeschlossen und auch kaum darin vorstellbar. Der Schluß, Knechts Tod, zart homoerotisch. Sehr weit der geistige Horizont, das kulturelle Wissen. Dazu viel Scherz im biographischen Forscher-Stil; Namenskomik.« – Gerade über diese Seite des Buches, die humoristische, schrieb ich ihm, und es gefiel ihm, daß ich sie betonte.
    Unsere jüngste Tochter, Antonio Borgeses Frau, war zum zweitenmal Mutter geworden, und wir verbrachten zwei Wochen, die in den April reichten, in Chicago. Bei Schneetreiben und Dunkelheit suchte ich in unserem Hotel am See das laufende Kapitel zu fördern und sorgte nebenher für eine neue deutsche Sendung – es war die über die Luft-Bombardements und über die damit gestellte Gewissensfrage. Die deutsche Ausgabe von
Joseph, der Ernährer
war kürzlich erschienen, und Bermann versorgte mich mit einer Menge Schweizer Besprechungen des Buches, pro und contra. Solch Massenkonsum öffentlicher Äußerungen über ein zurückgelegtes Werk ist verwirrend, erhitzend und äußerst fruchtlos. Dankbar gewiß für ein gutes, gescheites Wort, wie es hie und da unterläuft über ein nach seinem Wert und seinen Gebrechen nur zu wohl Bekanntes, schämt man sich der Begierde, mit der man dem ungesunden Genusse frönt, und nur stärker ist nachher das Verlangen, in neuen Dingen zu leben. Ich ging dem Werbe-Motiv bei Shakespeare weiter nach, las
Maß für Maß
, dann Flauberts
Saint Antoine
 – mit Staunen über den polyhistorischen {464} Nihilismus des großartigen Werks, das im Grunde auch nur ein phantastischer Katalog aller menschlichen Dummheiten ist. »Der Irrsinn der religiösen Welt, lückenlos vorgeführt, – und zum Schluß dann das Antlitz Christi? Fragwürdig.« Iwan Karamasows Teufelsvision gehörte auch zu meiner Lektüre von damals. Ich las die Szene mit der distanzierten Aufmerksamkeit nach, mit der ich
Salambô
wieder durchgegangen war, bevor ich den
Joseph
zu schreiben begann.
    Nach Hause zurückgekehrt,

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