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Die Entstehung des Doktor Faustus

Die Entstehung des Doktor Faustus

Titel: Die Entstehung des Doktor Faustus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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allein in Santa Barbara, seinen utopischen Roman, dies seltsame und gewissermaßen postume Werk, zu vollenden, durfte ich ihn mit einzelnen Teilen des werdenden
Faustus
bekannt machen und mich seiner gespannten Anteilnahme freuen. Wir hatten mit Alma Mahler bei Romanow zu Abend gegessen und gesellten uns dann zu ihm, der zu Hause mit seinem Privatarzt gespeist hatte. Auf dem Sofa liegend hörte er sich meine ersten drei Kapitel an, und ich vergesse nicht, wie betroffen, oder soll ich sagen: ahnungsvoll beunruhigt, er sich zeigte durch Adrians
Lachen
, in dem er augenscheinlich sofort etwas Nichtgeheueres, Religiös-Dämonisches spürte, und nach dem er sich immer wieder erkundigte. »Das Lachen!«, sagte er, »Was ist es damit? O, ich weiß schon … Wir werden sehen.« – Kundig und divi {460} natorisch griff er da eines der kleinen Motive des Buches auf, mit denen zu arbeiten mich immer am meisten freute, wie etwa das erotische der blauen und schwarzen Augen, das Mutter-Motiv, der Parallelismus der Landschaften oder das freilich schon ins Große und Wesentliche reichende, alles durchziehende und vielfach abgewandelte Motiv der »Kälte«, das mit dem des Lachens verwandt ist.
    Schon in diesem ist der Teufel, als hintergründiger Held des Buches, gestaltlos anwesend, wie auch in den »Versuchen« Vater Leverkühns, und meine Aufgabe war nun, den von Anfang an Geahnten langsam Umrisse gewinnen, mehr und mehr Gestalt und Gegenwart annehmen zu lassen, wie es in den Hallenser theologischen Kapiteln geschieht: durch die Luther-Karikatur des Professors Kumpf zunächst, der zugleich die sprachlich-altdeutsche Sphäre des Romans komisch eröffnet, so daß später eigentlich immer er es ist, der zitiert wird, – dann durch des Dozenten Schleppfuß anrüchiges Kolleg. Zu dieser Gegend des Buches war ich Mitte Februar vorgedrungen und schloß, obgleich ein Festartikel zu Bruno Walters Dirigentenjubiläum nicht die einzige Unterbrechung gewesen war, die die Hauptarbeit erlitten hatte, Anfang März die Hexennovelle und das XIII. Kapitel ab. Mein Kommentar: »Wenig Gefallen an dem Werk, das mir zu zerfließen scheint. Gewiß ist es ein originelles Unternehmen, aber ich zweifle, ob meine Kräfte reichen. Die fehlerhafte Neigung, es
Zauberberg
-artige Formen und Dimensionen annehmen zu lassen, beruht hauptsächlich auf Müdigkeit und Trägheit«. – Diese Sorge um das Auseinanderlaufen des Buches kehrt ständig wieder in den begleitenden Notizen und Rechenschaftslegungen. Der Engländer Connolly meint einmal, geistreich genug, man dürfe nicht zu »eitel« sein, um eine Sache schlecht zu machen, und nicht zu »feige«, dies einzugestehen. Nun, den Mut habe ich, einzugestehen, {461} daß mir davor graute, eine große Sache zu verpfuschen, und daß ich oft bis zur Verzweiflung unter dem Eindruck litt, dies wirklich zu tun. Schließlich war es diese »Eitelkeit«, die Müdigkeit und Trägheit überwand und aus dem Roman die sehr feste, zusammengehaltene Komposition machte, die er ist. Im Gespräch mit Adorno, sobald ich ihn in Gesellschaft traf, suchte ich mich in der musikalischen Problematik des Buches sattelfester zu machen, wobei immer schon die Idee des »Durchbruchs«, die sehr der Klärung bedurfte, eine Rolle spielte. Anteilnehmend und beitragswillig, brachte er mir ein sehr »zugehöriges« Buch über Alban Berg, der in demselben Jahre (1885) geboren war wie Adrian, – und mit dem ich übrigens einmal in Briefwechsel gestanden hatte. Mir war das völlig entfallen, wahrscheinlich, weil mir zu jener Zeit wenig klar gewesen war, mit wem ich es zu tun hatte. Alma Mahler mußte mich daran erinnern, daß Berg mir nach dem Erscheinen der
Geschichten Jaakobs
aus Wien sehr herzlich geschrieben und daß ich ihm dankbar geantwortet hätte: Ich gäbe viel dafür, seinen Brief noch zu besitzen. Er ist, mit so vielem anderen, am Wege liegengeblieben.
    In die Arbeit am XIV. Kapitel, dem der Studentengespräche, zu denen ich übrigens ein unter alten Papieren mitgeführtes Dokument, eine deutsche Jugend-Zeitschrift aus der Wandervogel-Sphäre, oder einer ähnlichen, benutzte, fiel ein denkwürdiges literarisches Vorkommnis, das mich Tage lang aufs persönlichste beschäftigte. Aus der Schweiz trafen die beiden Bände von Hermann Hesses
Glasperlenspiel
ein. Nach vieljähriger Arbeit hatte der Freund im fernen Montagnola sein schwierig-schönes Alterswerk vollendet, von dem mir bisher nur die große Einleitung durch den Vorabdruck in

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