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Die Entstehung des Doktor Faustus

Die Entstehung des Doktor Faustus

Titel: Die Entstehung des Doktor Faustus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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dessen Humoristik eine Geschichte wie
Der Waldsteig
doch auch wieder so auffallend anklingt. Stifter ist einer der merkwürdigsten, hintergründigsten, heimlich kühnsten und wunderlich packendsten Erzähler der Weltliteratur, kritisch viel zu wenig ergründet. –
    Damals also nahm ich mir die robuste Sudelei eines C. Barth in der New Yorker »Neuen Deutschen Volkszeitung« recht wie ein Tor zu Herzen, und gleichzeitig ging über das O. W. I. ein schiefer und aufreizender Artikel von Frank Thieß aus der »Münchener Zeitung« ein, jenes Dokument, worin eine Körperschaft, genannt »Innere Emigration«, sich mit vieler Anmaßung etablierte: die Gemeinde der Intellektuellen, die »Deutschland die Treue gehalten«, es »nicht im Unglück im Stich gelassen«, seinem Schicksal nicht »aus den bequemen Logen des Auslandes zugesehen«, sondern es redlich geteilt hatten. Sie hätten es redlich geteilt, auch wenn Hitler gesiegt hätte. Nun war über den Ofenhockern der Ofen zusammen {512} gebrochen, und sie rechneten es sich zu großem Verdienste an, ergingen sich in Beleidigungen gegen die, welche sich den Wind der Fremde hatten um die Nase wehen lassen, und deren Teil so vielfach Elend und Untergang gewesen war. Dabei wurde Thieß in Deutschland selbst durch die Veröffentlichung eines Interviews aus dem Jahre 33, worin er sich begeistert zu Hitler bekannt, aufs schwerste bloßgestellt, so daß die Truppe ihr Haupt verlor. Illiterate Schimpfereien gegen mich persönlich in deutsch-amerikanischen Winkelblättern setzten meinen Nerven zu. Heimgekehrte Emigranten schrieben gegen mich in der deutschen Presse. »Die Angriffe, Falschheiten, Dummheiten«, gesteht das Tagebuch, »ermüden mich wie schwere Arbeit.«
    Es gab Kompensationen und Erfrischungen. Ein großer Aufsatz der »Nouvelles Littéraires«, worin die außerordentliche Leistung, die Louise Servicen mit ihrer Übersetzung von
Lotte in Weimar
vollbracht hatte, und das Buch selbst mit seltener Feinheit gewürdigt wurden, freute mich mehr, als jene Ärgernisse mich vergrämten. Erika schickte mir das Blatt aus Mondorf in Luxemburg zusammen mit einem Bericht, wie sie die vorläufig dort verwahrten abzuurteilenden Nazi-Oberen in ihrem Hotel-Gefängnis visitiert habe. Die Aufregung der gestürzten Schreckensmänner, als sie erfahren hatten, wer die amerikanische Kriegskorrespondentin gewesen sei, hatte sich in vielen Abstufungen von wildem Abscheu bis zum Ausdruck des Bedauerns geäußert, darüber, nicht ein vernünftiges Wort mit ihr geredet zu haben. »Ich hätte ihr alles erklärt!« hatte Göring gerufen. »Der Fall Mann ist falsch behandelt worden. Ich hätte es anders gemacht!« – Wie wohl? Gewiß hätte er uns ein Schloß, eine Million und jedem einen Brillantring angeboten, wenn wir dem Dritten Reich beitreten würden. Fahr hin, jovialer Mordwanst! Du hast es wenigstens genossen, während dein Herr und Meister nie nirgends gelebt hat als in der Hölle.
    {513} Fast gleichzeitig kam auch der eindrucksvolle Artikel mir zu, den Georg Lukács zu meinem 70. Geburtstag in der »Internationalen Literatur« veröffentlicht hatte. Dieser Kommunist, dem das »bürgerliche Erbe« am Herzen liegt, und der imstande ist, über Raabe, Keller oder Fontane fesselnd und verständnisvoll zu schreiben, hatte schon in seiner Aufsatz-Serie über die deutsche Literatur im Zeitalter des Imperialismus meiner mit Klugheit und in Ehren gedacht und dabei die dem Kritiker unentbehrliche Fähigkeit bewährt, zwischen Meinen und Sein (oder dem aus dem Sein geborenem Tun) zu unterscheiden und nur dieses, nicht jenes, für bare Münze zu nehmen. Was ich mit vierzig Jahren meinte, hindert ihn nicht, mich aufs bestimmteste mit meinem Bruder zusammenzustellen und zu sagen: »Denn Heinrich Manns
Untertan
und Thomas Manns
Tod in Venedig
kann man bereits als große Vorläufer jener Tendenz betrachten, die die Gefahr einer barbarischen Unterwelt innerhalb der modernen deutschen Zivilisation, als ihr notwendiges Komplementärprodukt, signalisiert haben.« Damit ist sogar auf die Beziehungen zwischen der venezianischen Novelle und dem
Faustus
schon im voraus hingewiesen. Und es ist darum so gut, weil der Begriff des »Signalisierens« in aller Literatur und Literatur-Erkenntnis von erster Wichtigkeit ist. Der Dichter (und auch der Philosoph) als Melde-Instrument, Seismograph, Medium der Empfindlichkeit, ohne klares Wissen von dieser seiner organischen Funktion und darum verkehrter Urteile nebenher

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