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Die Entstehung des Doktor Faustus

Die Entstehung des Doktor Faustus

Titel: Die Entstehung des Doktor Faustus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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durchaus fähig, – es scheint mir die einzig richtige Perspektive. – Dies nun vollends, der Geburtstags-Essay
Auf der Suche nach dem Bürger
war eine soziologisch-psychologische Darstellung meiner Existenz und Arbeit, wie ich sie in so großem Stil noch nicht erfahren hatte, und stimmte mich darum zu ernster Dankbarkeit, – nicht zuletzt auch, weil der Betrachtende das Meine nicht nur »historisch« sah, {514} sondern es mit deutscher Zukunft in Beziehung brachte. Sonderbar nur, daß in noch so wohlwollenden Würdigungen dieser kritischen Linie und Sphäre das
Joseph-Werk
konsequent ausgelassen, umgangen wird. Es ist das eine Sache der Observanz und totalitären Rücksicht: Der
Joseph
ist »Mythos«, also Ausflucht und Gegenrevolution. Schade. Und vielleicht nicht ganz richtig. Da aber auch die katholische Kirche das Werk nicht mag, weil es das Christentum relativiert, so bleibt ihm nur eine Humanistengemeinde, welche sich die Sympathie mit dem Menschlichen frei gefallen läßt, von der es in Heiterkeit lebt. –
    Nun soll es nicht aussehen, als ob Gutes und Tröstliches mir nur aus der nicht-deutschen Welt gekommen wäre. Klaus schrieb aus Rom von den Plakaten, die er überall in Berlin gesehen habe, und die Vorträge über
Joseph
, Rezitationen aus
Lotte
angezeigt hätten. Im neuen deutschen Radio, hörte ich, wurde dies und das von mir vorgelesen. Die Kriegsgefangenen-Lagerzeitung »Der Ruf« (jetzt in München erscheinend) druckte Freundlich-Vertrauensvolles über mich. Es gab, entgegen Thieß und den anderen, Bekenntnisse zu meinem Namen in deutschen Zeitungen. Kurz, die Verneinung war nicht einhellig, und wie sollte die Bejahung es sein? Immer heißt es, sich bei dem alten Spruche zu beruhigen, den ich so früh an einem Lübecker Giebel las: »Allen zu gefallen ist unmöglich.« Als ob es auf das Gefallen überhaupt ankäme und nicht vielmehr auf die Wirkung, die sich aus Mißverständnissen, Kontroversen, Peinlichkeiten endlich denn doch herausklärt. Freilich ist diese Klärung etwas dem Tode sehr Nahes oder auch erst nach ihm sich Vollziehendes. Leben ist Pein, und nur solange wir leiden, leben wir. –
    Briefe von alten Freunden kamen nun auch, da Deutschland wieder offen war: von Preetorius, von Reisiger, von Jüngeren wie Süskind, doch nichts von Ernst Bertram, nach dessen Er {515} gehen ich mich da und dort erkundigte, ohne mehr als Halbberuhigendes erfahren zu können. Briefe auch von solchen, die man als sinistre Figuren zu betrachten sich gewöhnt hatte, und denen, obgleich sie es nie gewesen sein wollten, zu antworten nicht ganz leicht war, wie Kircher von der »Frankfurter Zeitung« und Blunck, einst Präsident von Hitlers Reichsschrifttumskammer. Außerdem schrieben aus Deutschland eine Menge Leute, die mir ihr Leid klagten, wie doch die Sieger so gar nicht zwischen Böcken und Schafen, Schuldigen und Unschuldigen unterschieden, alles Deutsche moralisch über einen Kamm schören, und die mich beschworen, kraft meines ungeheueren Einflusses sofort darin Wandel zu schaffen.
    »Beschäftigung mit dem Weitergang des Romans (Kriegsausbruch) an Hand alter Tagebücher. An XXX dringlich fortgeschrieben … Nachts unwohl, Frost, Erregung, Erkältung, gestörter Schlaf, Gefühl annahender Krankheit … Die englische Version des
Briefes nach Deutschland
für ›London News Chronicle‹ … Stundenlange Post-Arbeit … Kleists
Marionetten.
Frank Harris’ Buch über Shakespeare. Bedachte mit K. die Ungeheuerlichkeit dieses Jahres, den Hagel von Erschütterungen, eingerechnet die vielen Todesfälle: zuletzt noch Béla Bartók, Roda-Roda, Beer-Hofmann, auch Seabrook, der sich das Leben genommen. Es wäre kein Wunder, wenn man noch müder wäre. Aber das Interesse am Roman hat sich belebt in diesen Tagen. Verdutztheit durch das Unromanhafte, sonderbar real Biographische, das doch Fiktion ist … Vorsorge weit hinaus, über viel Schwieriges hinweg: Schrieb an Walter nach New York, mir leihweise meinen Brief über Frido zu überlassen, in Hinsicht auf Nepomuk Schneidewein … Rede zur Frank-Gedenkfeier, nachmittags abgeschlossen.«
    Ja, das war nun an der Reihe, ein Kelch, ein Opfer, gern dargebracht und mit stillem Murren doch auch wieder über {516} die Unerbittlichkeit des Anspruchs. Die Veranstaltung fand statt am 29. September im Play House von Hollywood. Der große Saal war gefüllt, ganz »Deutschland-Kalifornien« versammelt. Auch mein Bruder, so selten er ausgeht, war mit uns. Es gab

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