Die Epidemie - Teil 1
Nachtschränke fand ich eine Taschenlampe, die aber ihren Geist aufgegeben hatte. Nichtsdestotrotz steckte ich sie mir in die Hosentasche.
Damit endete auch schon mein Ausflug in die „Unterwelt“. Ganz wohl fühlte ich mich dabei nicht. Immerhin befand ich mich in einem fremden Haus und bediente mich an Gegenständen, die mir nicht gehörten. Ich fühlte mich wie ein Dieb, der sich am Reichtum der anderen bereicherte.
Um mich in meinem Versteck noch sicherer zu fühlen, schloss ich auch die Tür zum Obergeschoss ab. An die Innenseite der Tür lehnte ich einen Stuhl. Sollte es also dazu kommen, dass sich ungebetene Gäste in meine Nähe begaben, würde ich durch den dabei entstehenden Krach gewarnt werden.
Als die Nacht einbrach, öffnete ich das Dachfenster und ließ frische Luft herein. Die Scharniere waren etwas verrostet und ließen sich ohne einen gewissen Kraftaufwand nicht bewegen. Mit aller Mühe versuchte ich, den Verschluss so leise wie möglich zu lösen und schaffte es, einen kleinen Spalt zwischen dem Fensterrahmen und der Giebelfläche zu bilden.
Ein frische Brise strömte sofort in das Rauminnere. Nach kurzer Zeit nahm ich aber auch noch einen ganz anderen Geruch wahr, der sich langsam in der Raumluft einnistete. Ich konnte diesen Geruch nicht präzise einordnen, aber angenehm war er nicht. Nach langer Überlegung war ich davon überzeugt, dass es nach Blut und Schießpulver roch.
Im Schutz der Dunkelheit konnte ich mich ungestört vor das Fenster stellen und einen Blick auf die Straße unter mir werfen. Der Strom der „Wanderer“ war nun fast vollkommen versiegt. Es änderte aber an dem Geräuschpegel, den sie verursachten, nichts. Da sie in der nächtlichen Dunkelheit nichts sehen konnten, rumpelten sie sich gegenseitig an, stießen abscheuliches Gurgeln von sich und schritten weiter. Manche schafften es nicht, Hindernisse wie Hauswände, Autos oder Pfosten rechtzeitig zu erkennen und zu umgehen. So blieben sie an Ort und Stelle stehen, stöhnten, schlugen wütend gegen ihre Barriere, bis endlich ein anderer sie anrempelte und aus der Falle befreite.
Sie waren nun meine Feinde und um zu überleben, musste ich meine Widersacher genauer kennen. Etwa eine Stunde lang stand ich regungslos am Fenster und beobachtete die Kreaturen.
Die Epidemie schien den Infizierten wohl jeglichen Funken Intelligenz zu rauben, was für mich von großem Vorteil sein konnte. Einen dummen Feind konnte man besser überlisten und somit als Sieger aus dem Kampf hervorgehen. Denn das, was sich hier abspielte, war nichts anderes als Krieg.
Sie waren ziemlich langsam unterwegs. Besonders diejenigen, die eine Verletzung hatten, schienen weniger gefährlich zu sein. Ein gesunder Mensch musste sich nicht besonders anstrengen, vor dieser Sorte wegzurennen. Wollte ich in Zukunft nicht erneut unnötig ein Menschenleben auslöschen, so hatte ich die Wahl entweder einfach wegzurennen oder demjenigen, der mir an den Hals wollte, in die Beine zu schießen.
Dann gab es die Jungen und Starken unter ihnen. Diese machten große Schritte und waren weitaus schneller als die Verletzten. Ich verstand sofort, dass ich mich vor solchen Bestien besser fernhalten sollte.
Ich erinnerte mich an das Radio, das ich bei meiner Erkundungstour durch das Haus entdeckt und mitgenommen hatte. Damit keiner auf mich aufmerksam wurde, schloss ich das Fenster wieder und ging zur meiner karg eingerichteten Schlafstätte.
Das Radio stand neben dem Rucksack, den ich mittlerweile mit allem, was nun mir gehörte, vollgestopft hatte. Den Lautstärkeregler drehte ich auf das Minimum und schaltete das Gerät ein. Ein kaum hörbares Zischen erklang, aber für meine Ohren reichte diese Lautstärke völlig aus. Das Radio lauter zu stellen und damit entdeckt zu werden, wollte ich nicht riskieren. Außerdem konnte ich dadurch die Batterie länger am Leben erhalten.
Sanft drehte ich das Sucherrädchen von links nach rechts und hoffte ein Signal zu empfangen. Nach etwa zwei vollen Umdrehungen verringerte sich das Rauschen und es erklang eine sehr leise Männerstimme. Erst verzerrt, doch nach geschickter Regulierung des Rädchens hatte ich das Signal erwischt.
Der Sprecher flüsterte!
Wären meine Russischkenntnisse nicht gut gewesen, dann hätte ich das von ihm Gesprochene nicht verstehen können. Nicht nur das Flüstern machte seine Botschaft unverständlich, sondern auch seine nuschelige Redensart.
Er klang sehr müde. Hätte ich von seiner Stimmer auf das
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