Die Erben
Zu seiner Linken wühlte sich Fa einen Auslug frei, und auf den Rand der Nußschale konnte sie sogar ihre Ellenbogen stützen. Wie immer, wenn Lok die Neuen beobachtete, nahm das unerklärliche Gefühl der Schwere in ihm ab. Er ließ sich genießerisch gehen. Und dann vergaßen sie plötzlich alles und waren nur noch Augen. Der Stamm glitt unter den Büschen der Insel hervor. Die beiden Männer gruben vorsichtig, und der Stamm drehte sich. Er zeigte nicht zu Lok und Fa hin, sondern flußaufwärts, obwohl er sich ihnen langsam über das Wasser näherte. Viele neue Dinge waren in der Aushöhlung des Stammes; Dinge, die wie Steine aussahen und gebauchte Bälge. Und alle Arten von Stöcken, von langen Pfählen ohne Blätter und Äste bis hinab zu Zweigen verwelkenden Grüns. Der Stamm war jetzt ganz nah. Endlich erblickten sie die Neuen von Angesicht zu Angesicht und in der Sonnenhelle. Sie sahen unbegreiflich fremd aus. Ihr Haar war schwarz und bot sich in den seltsamsten Formen dar. Das Haar des Knochengesichts im Vorderteil des Stammes glich einer Kiefer, die stracks nach oben abstand, so daß es den Anschein hatte, als zöge eine Hand den ohnehin zu langen Kopf erbarmungslos in die Höhe. Das Haar des anderen Knochengesichts war wirr wie ein Strauch und wuchs nach allen Seiten heraus wie der Efeu an dem toten Baum.
Dichtes Haar wuchs ihnen in der Gegend der Hüften, des Bauches und des Oberteils der Beine, so daß ihr Körper an dieser Stelle am dicksten war. Doch Lok sah nicht als erstes auf ihren Rumpf; dazu beschäftigte ihn viel zu sehr das Zeug, das sie um die Augen hatten. Unter den Augen saß ein fest anliegendes Stück Knochen, und wo die breiten Nasenlöcher hätten sein sollen, waren enge Schlitze, und dazwischen lief der Knochen in eine hervorstehende Spitze aus. Darunter war ein weiterer Schlitz über dem Mund, und daraus drang das Geflatter ihrer Stimmen. Weniges, dunkles Haar ragte unter dem Schlitz hervor. Die Augen, die durch all dieses Knochenwerk hindurchspähten, waren dunkel und lebhaft. Und darüber waren Augenbrauen, schwarz und schmaler als die Nasenöffnungen oder der Mund, Augenbrauen, die sich nach außen und oben zogen, so daß die neuen Gefährten ein drohendes, bösartiges Aussehen hatten. Stränge von Zähnen und Muscheln hingen um ihren Hals und herab auf graues, pelziges Fell. Über den Augenbrauen wölbte sich das Knochenwerk vor und bog dann nach hinten, wo es vom Haar verdeckt wurde. Als der Stamm näher kam, sah Lok, daß es nicht richtig knochenweiß war und glänzend, sondern stumpfer. Es glich in der Farbe eher den großen Schwämmen, den Ohren, die die Gefährten aßen, und schien auch aus ähnlichem Stoff gemacht. Ihre Beine und Arme waren stockdünn, so daß die Gelenke aussahen wie Knoten in einem Pflanzenhalm.
Jetzt da Lok fast in den Stamm hineinsehen konnte, erkannte er, daß er viel breiter war als zuvor, oder vielmehr, daß es nicht einer, sondern die beiden Stämme waren, die nebeneinander heranglitten. In dem zweiten Stamm waren noch mehr Bündel und merkwürdig geformte Dinge, und ein Mann lag dazwischen seitlich hingestreckt. In Körper und Knochen glich er den anderen, doch das Haar auf seinem Kopf war kurz und borstig und funkelte und sah so hart aus wie die Stacheln einer Kastanienschale. Er hantierte mit einem der spitzen Zweige herum, und sein gebogener Stock lag neben ihm. Der Stamm glitt ans Ufer heran. Der Mann am hinteren Ende – Lok nannte ihn in Gedanken Kiefer – sprach leise. Strauchkopf legte sein hölzernes Blatt nieder und faßte nach den Grasbüscheln am Ufer. Kastanienkopf nahm seinen gebogenen Stock und den Zweig, schlüpfte über die Stämme an Land und duckte sich fast unmittelbar unter Fa und Lok hin, daß sie seinen persönlichen Geruch witterten, einen Meergeruch, einen Fleischgeruch, furchtgebietend und erregend. Er war so nah, daß er auch sie jeden Augenblick wittern mußte, obwohl er unter ihnen hockte, und Lok hielt in plötzlicher Angst ganz unbewußt seinen Körpergeruch ein. Er atmete immer leiser, bis er kaum noch Luft bewegte und in den Blättern mehr Leben war als in ihm selbst.
Kastanienkopf stand unter ihnen im Sonnengesprenkel. Der Zweig lag über dem gebogenen Stock. Er blickte um den Baum herum nach links und nach rechts, sah prüfend auf den Boden und dann wieder geradeaus in den Wald. Er sprach zur Seite gewandt aus seinem Schlitz heraus zu den anderen im Stamm; eine weiche, zwitschernde Sprache; das weißliche
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