Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erben

Die Erben

Titel: Die Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Golding
Vom Netzwerk:
Hölzernes Klopfen, Schleifen und Vogelsprache; dann traten zwei andere Männer unter dem Baum heraus auf die Lichtung. Der erste sah aus wie die anderen. Sein Haar wuchs oben auf dem Kopf zu einem Büschel zusammen und fiel dann auseinander, so daß es im Gehen baumelte. Büschelkopf ging geradewegs auf die Dornhecke zu und spähte in den Wald. Auch er hatte einen gebogenen Stock und einen Zweig. Der zweite Mann war nicht wie die anderen. Er war stämmiger und kleiner. Er hatte viel Haar auf seinem Körper, und sein Kopfhaar war glatt, als wäre Fett hineingerieben worden. Es lag in einem runden Klumpen in seinem Nacken. Vorn am Kopf war gar kein Haar, so daß die knochenfarbene Haut, furchteinflößend in ihrer schwammgleichen Blässe, über die Ohren hinaufschwang. Zum ersten Mal sah Lok jetzt die Ohren der neuen Männer. Sie waren ganz klein und fest zu beiden Seiten an den Kopf gedrückt. Büschelkopf und Kastanienkopf kauerten nieder. Sie schoben Blätter und Grashalme von den Fußspuren weg, die Fa und Lok gemacht hatten. Büschelkopf sah auf und sagte: »Tuami.«
    Kastanienkopf folgte den Spuren mit ausgestrecktem Arm. Büschelkopf wandte sich an den Stämmigen. »Tuami!«
    Der Stämmige trat von dem Haufen aus Steinen und Stöcken, der seine Aufmerksamkeit in Anspruch genommen hatte, zu den anderen. Er gab einen schnellen, unwahrscheinlich zarten Vogellaut von sich, und sie antworteten.
    Fa flüsterte Lok ins Ohr: »So nennen sie ihn –«
    Tuami und die anderen beugten sich kopfschüttelnd über die Fußabdrücke. Zum Baum hin, wo die Erde härter wurde, waren sie unsichtbar, und als Lok schon glaubte, die Neuen müßten jetzt mit der Nase über den Boden wittern, richteten sie sich auf und blieben stehen. Tuami begann zu lachen. Er deutete zum Wasserfall hinauf, lachte und zwitscherte. Dann verstummte er, schlug laut die Handflächen aneinander, sagte nur ein Wort und ging zu dem Haufen zurück.
    Als hätte das eine Wort die Lichtung verändert, begann die Spannung von den Neuen zu weichen. Kastanienkopf und Büschelkopf beobachteten zwar noch den Wald, doch während sie so am linken und rechten Ende der Lichtung standen und über die Dornen spähten, richteten sich ihre Stöcke gerade. Kiefer ließ für eine Weile die Bündel sein; er faßte sich mit einer Hand an die Schulter, zog an einem Stück Balg und stieg aus seinem Fell heraus. Das tat Lok so weh wie der Anblick eines Dornes unter dem Nagel eines Gefährten; doch dann sah er, daß Kiefer sich gar nichts daraus machte, ja daß er sich in seiner unteren, kühlen, weißen Fellhaut wohlfühlte. Er war jetzt nackt wie Lok, nur ein Stück Hirschhaut war eng um seine Hüften und Lenden gewunden.
    Jetzt bemerkte Lok noch etwas: die Neuen hatten einen Gang, wie ihn Lok noch nie zuvor gesehen. Sie hielten sich senkrecht auf ihren Beinen im Gleichgewicht, sie waren so wespengleich dünn, daß ihr Rumpf im Gehen nach vorn und hinten schwankte. Sie sahen nicht auf den Boden, sondern hatten den Blick geradeaus gerichtet. Und sie waren mehr als hungrig. Lok wußte, wie Hunger einen Gefährten zeichnete. Die Neuen mußten zu Tode ausgehungert sein. Die Knochen traten ihnen aus dem Fleisch, wie bei Mal. Obwohl in ihren Körpern die biegsame Anmut junger Zweige wohnte, waren ihre Bewegungen von träger Schwere. Sie gingen aufrecht und hätten eigentlich tot sein müssen. Es war, als hielte sie etwas am Leben, das Lok nicht sehen konnte, etwas das ihre Köpfe stützte und ihre Körper langsam, aber unwiderstehlich vorwärtstrieb. Lok wußte, daß er längst nicht mehr leben würde, wenn er so mager gewesen wäre wie sie. Büschelkopf hatte seine Haut unter dem toten Baum auf die Erde geworfen und zerrte an einem großen Bündel. Kastanienkopf eilte herbei, um ihm zu helfen, und sie hoben gemeinsam an der Last. Lok sah Falten in ihre Gesichter treten, wie sie einander anlachten, und eine jähe große Zuneigung für die neuen Gefährten durchströmte ihn und drängte das Gefühl der Schwere abermals zurück. Er sah, wie sie sich in die Last teilten, fühlte mit seinen eigenen Gliedern das Gewicht und das harte Mühen. Tuami kam zurück. Er nahm ebenfalls seine Haut ab, streckte sich, kratzte sich und kniete nieder. Er fegte auf dem Boden eine Stelle von Blättern frei, bis die braune Erde hervortrat. Er hatte ein Stöckchen in seiner rechten Hand und sprach zu den anderen. Großes Kopfnicken.
    Die Stämme stießen dumpf aneinander, und am Wasser hörte man

Weitere Kostenlose Bücher