Die Erben
ihrem Haar riß. Tuami drückte sein Gesicht an das ihre und tat einen Schritt, daß er mit einem Knie hinter ihr stand. Er fuhr mit der Hand aufwärts, bis sie unter ihrem Hinterkopf lag. Die Hand, die sich in sein Fleisch krallte, erschlaffte, suchte, der Arm faßte um ihn herum, und plötzlich hingen sie aneinander, drängten sie zueinander, Lende an Lende, Mund auf Mund. Die dicke Frau glitt langsam nieder, und Tuami neigte sich über sie. Er fiel plump auf ein Knie, und ihre Arme umschlangen seinen Hals. Sie lehnte sich zurück im Mondlicht, mit geschlossenen Augen und kraftlosem Körper, und ihre Brüste gingen auf und ab. Tuami kniete und suchte mit den Händen in dem Fell, das ihre Hüften umgab. Er machte ein knurrendes Geräusch und warf sich auf sie. Jetzt sah Lok wieder die Wolfszähne. Der Kopf der dicken Frau rollte hin und her, und ihr Gesicht war verzerrt wie zuvor, als sie mit Tuami gerungen hatte.
Er wandte sich um zu Fa. Sie kniete immer noch, starrte zu dem rotglühenden Holzhaufen auf der Lichtung hinunter, und der Schweiß auf ihrem Fell glänzte schwach. Ein wunderbares Bild zuckte in ihm auf: er und Fa holten die Kinder und rannten davon über die Lichtung. Er wurde hellwach. Er kam ihr mit dem Kopf ganz nahe und flüsterte.
»Holen wir jetzt die Kinder?«
Ihr Kopf ging zurück, daß sie ihn deutlich sehen konnte im jetzt matten Schein. Sie erschauerte plötzlich, als sei in dem Mondlicht, das auf den Baum fiel, eisiger Winter gefangen. »Warte!«
Die zwei unter dem Baum machten wilde Geräusche, als stritten sie miteinander. Besonders die dicke Frau hatte zu schreien begonnen wie eine Eule, und Lok hörte Tuami keuchen gleich einem Mann, der mit einem Tier kämpft und glaubt, daß er verliert. Er blickte hinab und sah, daß Tuami nicht nur bei der dicken Frau lag, sondern sie auch aufaß, denn schwarzes Blut rann an ihrem Ohr herunter.
Lok geriet in Erregung. Er streckte den Arm aus und berührte Fa mit der Hand, doch sie brauchte ihm nur ihre steinernen Augen zuzuwenden und war sogleich umgeben von demselben unnennbaren Gefühl, das schlimmer war als das Oa-Gefühl und das er wohl empfand, aber nicht begriff. Er zog hastig die Hand von ihr weg und wühlte sie in die Blätter, bis er einen Auslug hatte auf das Feuer und die Lichtung. Die meisten der anderen waren in die Höhlen hineingegangen. Die zu beiden Seiten aus dem hohlen Stamm herausragenden Füße waren alles, was man von dem Alten sah. Der Mann, der um das Feuer herumgekrochen war, lag zwischen den runden Steinen, die das Bienenwasser enthielten, auf dem Gesicht; der andere, der Wache gehalten hatte, stand auf einen Stock gestützt an der Dornenhecke. Während Lok noch hinsah, glitt dieser Mann an dem Stock hinab, fiel neben den Dornen zu Boden, lag wie erstarrt, und das Mondlicht glänzte stumpf auf seiner bloßen Haut. Tanakil war fortgegangen und die zerknitterten Frauen ebenfalls, so daß die Lichtung kaum mehr war als ein leerer Raum um einen mattroten Haufen Holz.
Er wandte sich um und blickte zu Tuami und der dicken Frau hinab, deren Treiben zu einem wilden Höhepunkt gelangt war; jetzt lagen sie regungslos da und glänzten vor Schweiß und rochen nach Fleisch und nach dem Honig aus den Steinen. Er sah zu Fa hinüber, die immer noch stumm und schrecklich war und auf ein Bild starrte, das nicht aus dem Dunkel des Efeus kam. Er senkte die Augen und begann unbewußt das morsche Holz nach Nahrung abzusuchen. Doch dabei entdeckte er plötzlich, daß er Durst hatte, der, einmal erkannt, sich nicht unterdrücken ließ. Voller Unrast spähte er zu Tuami und der dicken Frau hinab, denn von all den erstaunlichen und unerklärlichen Geschehnissen, die er auf der Lichtung beobachtet hatte, war ihr Tun auf einmal das verständlichste und gleichzeitig doch das, worüber er sich am meisten verwunderte.
Ihr wildes, wölfisches Ringen war vorüber. Sie hatten offenbar mehr miteinander gekämpft, mehr sich gegenseitig verzehrt als beieinandergelegen, so daß jetzt Blut war auf dem Gesicht der Frau und auf der Schulter des Mannes. Nun da der Kampf beendet und Friede wieder zwischen ihnen hergestellt war oder wie man diesen Zustand auch nennen mochte, spielten sie miteinander. Ihr Spiel war vielgestaltig und nahm sie ganz in Anspruch. Kein Tier der Berge oder der Ebene, kein geschmeidiges, gelenkes Geschöpf der Büsche und der Wälder besaß das Geschick und die Vorstellungskraft, solche Spiele zu erfinden, noch die Muße und
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