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Die Erben

Die Erben

Titel: Die Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Golding
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unermüdliche Lust, sie zu spielen. Sie erjagten das Vergnügen, wie Wölfe ihr Opfer hetzten und zur Strecke brachten; sie schienen die Fährte der unsichtbaren Beute zu verfolgen, geneigten Kopfes und angespannten, versunkenen Gesichts im bleichen Licht den ersten herannahenden Schritten der Lust zu lauschen. Sie trieben ihr Spiel mit dem Vergnügen, wenn sie es gestellt hatten, wie der Fuchs mit dem fetten Vogel spielt, den er gefangen hat, und sich seinen Tod noch aufhebt, weil es ihm gegeben ist, hinauszuzögern und die Wonne des Fressens doppelt zu genießen. Jetzt waren sie still, nur ab und zu hörte man ein leises Grunzen und Keuchen und ein Gurgeln, wenn die Frau unterdrückt lachte. Eine weiße Eule strich über den Baum, und einen Augenblick später vernahm Lok ihren Ruf, und wie immer hörte es sich an, als sei der Vogel viel weiter weg. Der Anblick Tuamis und der dicken Frau erregte ihn jetzt nicht mehr so wie zuvor, als sie miteinander gerungen hatten, und konnte seinen Durst nicht mehr betäuben. Er scheute sich, mit Fa zu sprechen, nicht nur wegen ihrer seltsamen, abwesenden Erstarrung, sondern auch weil Tuami und die dicke Frau nun so wenig Geräusch machten, daß Sprechen wieder gefährlich war. Er konnte es vor Unruhe nicht mehr erwarten, die Kinder zu holen und davonzurennen. Das Feuer war ein ganz dunkles Rot, und sein Schein trug kaum bis an die Hecke aus Ästen, Knospen und Zweigen rings um die Lichtung, so daß sich dieses Flechtwerk immer mehr als dunkler Schatten vom fahlen Himmel im Hintergrund abhob. Die Bodenfläche der Lichtung war in solches Dämmer getaucht, daß Lock nur mit seinen Nachtaugen etwas zu erkennen vermochte. Das Feuer schien von der Umgebung losgelöst im Dunkel zu schwimmen. Tuami und die dicke Frau schwankten unter dem toten Baum hervor, und sie gingen nicht zusammen, sondern schritten durch hüfthohe Schattenwogen auf zwei verschiedene Höhlen zu. Jetzt brauste der Wasserfall, und man hörte die Stimmen des Waldes, Knacken und Rascheln verborgener Füße. Noch eine weiße Eule schwebte über die Lichtung und fort über den Fluß. Lok wandte sich zu Fa und flüsterte. »Jetzt?«
    Sie kam ganz nahe. Aus ihrer Stimme klang dieselbe zwingende und keinen Widerspruch duldende Bestimmtheit wie zuvor, als sie auf der Terrasse von ihm Gehorsam gefordert hatte.
    »Ich hole das Junge und springe über die Dornbüsche. Wenn ich fort bin, folge.«
    Lok dachte, aber kein Bild wollte ihm erstehen. »Liku –«
    Ihre Hände griffen in sein Fleisch. »Fa sagt, ›Tu das‹.«
    Er machte eine ungestüme Bewegung, daß die Efeublätter raschelnd aneinanderschlugen. »Aber Liku –«
    »Ich habe viele Bilder im Kopf!«
    Sie nahm die Hände von ihm. Er lag im Baumwipfel, und alle Bilder des vergangenen Tages drehten sich erneut um und um. Er hörte Fas Atem an seinem Ohr vorüberströmen und in den Efeu tauchen, der abermals raschelte, daß er schnell über die Lichtung sah; doch nichts regte sich. Er konnte gerade die Füße des Alten erkennen, die aus dem hohlen Stamm herausragten, und die Löcher aus dunkelstem Schwarz, wo die Zweighöhlen waren. Das Feuer schwamm im Schattentümpel, ein trübes Rot mit einem helleren Herzen, wo blaue Flammen über das Holz hüpften. Tuami trat aus seiner Höhle, schritt zum Feuer und sah in die matte Glut. Fa war schon halb aus dem Horst herausgestiegen und hing an den dicken Efeuadern auf der Flußseite des Baumes. Tuami hob einen Ast auf und begann die heiße Glut zusammenzukratzen, daß sie Funken spie und einen Rauchschwaden emporschickte und zwinkernde Punkte. Die zerknitterte Frau kam hervorgekrochen und nahm ihm den Ast ab, und eine Weile standen sie schwankend beisammen und redeten. Tuami verschwand in einer Höhle, und gleich darauf, als er sich auf trockenes Laub fallen ließ, hörte Lok ein Rascheln. Lok wollte die Frau zuvor weggehen lassen; aber diese begrub noch das Feuer mit Erde, bis nur mehr ein schwarzer Hügel zu sehen war mit einem glühenden Maul obenauf. Dann holte sie ein Stück Grasnarbe und ließ es auf das Maul fallen, daß es aufflackerte und knisterte, während eine Lichtwelle über die freie Fläche wogte. Sie stand bebend am Anfang ihres eigenen Schattens, das Licht verzuckte und erlosch. Dann konnte er sie halb mit den Ohren, halb mit dem Gefühl verfolgen, wie sie sich zur Höhle hintastete, auf Hand und Knie fallen ließ und hineinkroch.
    Seine Nachtsicht kehrte zurück. Die Lichtung lag wieder sehr still da, und er

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