Die Erben der alten Zeit - Das Amulett (Die Erben der alten Zeit - Trilogie) (German Edition)

empört.
    »Nein. Ich habe ihn nicht eingetauscht. Ich mute ihm bloß keine langen, strapaziösen Ritte mehr zu. Ich sagte bereits, dass es ihm gut geht. Du musst mir vertrauen.«
    »Ich will ihn sehen!«, rief Tora beharrlich.
    »Irgendwann lässt es sich vermutlich einrichten«, sagte Biarn. »Nun wartet aber erst einmal Wichtigeres auf mich. Ihr entschuldigt mich?« Er zog die Kapuze seines schäbigen Umhanges über seine blonden, langen Haare. Sie fiel ihm weit ins Gesicht.
    Er will nicht erkannt werden! , schoss es Charlie durch den Kopf. In der Tür drehte er sich noch einmal um.
    »Vorsicht ist ein guter Begleiter, Charlie! Merke dir das!«, sagte er und sah ihr direkt in die Augen. Solch ein Auge würde ich im Übrigen auch verbergen wollen... Ich komme wieder«, sagte er dann noch, bevor er sich durch den schmalen Spalt ins Freie zwängte. Schockiert griff sich Charlie ins Gesicht! Sie hatte die Augenklappe vergessen! Wie konnte das bloß passieren! Sie starrte entsetzt auf den schmalen Spalt im Berg, der leer vor ihr lag.
     
    Tora, Kunar und Charlie lebten sich schnell wieder ein. Charlie hatte ihren Schrecken überwunden und trug nun wieder ihre Augenklappe. Tora begann sofort damit, neue Vorräte anzulegen, obwohl alle drei sich einig waren, dass sie es vermeiden sollten den Winter in Vanaheim zu verbringen. Nachdem Kunar von kalten, eisigen Schnee-und Hagelstürmen erzählt hatte, war Charlie die Idee gekommen, auf der Erde zu überwintern. Um im Frühjahr wieder in Vanaheim zu sein, brauchten sie bloß Dezember bis Ende März überspringen, also etwa vier Monate. Aus eigener Erfahrung wusste Charlie, dass etwa drei Stunden auf der Erde ausreichen würden. Jetzt hatten sie Ende Höst Monat. Sie wollten also noch ungefähr ein und einen halben Monat bleiben und dann zur Erde zurückkehren.
    Der kommende Monat hieß Blot, was laut Kunar soviel wie Opfer bedeutete. Mitte des Blot-Monats feierte ganz Vanaheim Alvablotet, ein großes Opferfest, als Dank für reichlich Fleisch für die kommenden Wintermonate. Das Opfer eines lebenden Wesens war das heiligste Opfer in Vanaheim. Laut Kunar wurde meist eine Ziege oder ähnliches geschlachtet. Man schlug sich die Bäuche voll und feierte, tanzte und übte Opferzeremonien aus. Charlie war neugierig. Sie würde nur zu gerne sehen, wie in Vanaheim Feste gefeiert wurden. Sie wäre gerne dabei gewesen. Leider war es viel zu gefährlich. Kunar meinte das Risiko wäre viel zu hoch.
    Charlie verbrachte die ersten Tage damit, in ihren mitgebrachten Büchern zu stöbern. Als erstes schlug sie die Anwendungsgebiete der Schafgarbe nach. Und tatsächlich halfen die Blüten der Pflanze bei Magen-und Darmbeschwerden, Appetitlosigkeit, schmerzhafter Menstruation und sie wurden zur Säuberung kleinerer Verletzungen und Wunden verwendet. Kunar hatte also recht gehabt. Sie konnte spüren, wogegen eine Pflanze half!
    Charlie verbrachte viele Stunden auf dem Berg auf der Suche nach Heilpflanzen. Sie legte Vorräte an und bald quoll Toras kleiner Vorratsraum vor Heilpflanzen nur so über, von denen Charlie lediglich den Verwendungszweck kannte.
    Anfangs überfielen sie die Gefühle der Beschwerden wahllos. Nach und nach lernte Charlie sie aber sozusagen auf Abruf zu erfühlen, was ehrlich gesagt auch wesentlich angenehmer war! Einige Pflanzen riefen doch sehr heftige Reaktionen hervor. Charlie wurde es schnell leid, sich urplötzlich vor Schmerzen zu krümmen! Es war wesentlich einfacher, wenn man darauf vorbereitet war. Ihr Gespür wurde von Tag zu Tag feiner.
    Abends, oder wenn es um die Mittagszeit einfach zu heiß war, stöberte Charlie in der altnordischen Mythologie und beschäftigte sich mit Fabeltieren, die hier in Vanaheim lebendig herumliefen. Vieles stimmte überein. Aber vieles war nur den Wesen in Vanaheim ähnlich oder die Tiere trugen höchstens denselben Namen.
    Einhörner sahen zum Beispiel genauso aus, wie in den Sagen beschrieben. Außerdem wurden sie als Sinnbild für Unschuld und Reinheit bezeichnet. Gefährlich waren sie ja tatsächlich nicht. Allerdings wurden sie hier in Vanaheim wie ein Pferd verwendet.
    Dann war da der Greif. Auch er schien hier genauso auszusehen, wie in dem Buc h beschrieben. Obwohl Charlie noch keinen in echt gesehen hatte, sondern nur als Statue - als Holzschnitzereien in Alt Bragesholm und auf Bilskirne in Stein gehauen.
    Die Makaras in Vanaheim hatten rein gar nichts mit denen aus der Erdmythologie zu tun! Laut Buch sollte es sich um