Die Erben der alten Zeit - Das Amulett (Die Erben der alten Zeit - Trilogie) (German Edition)
war, dann war das schon etwas seltsam. Sie konzentrierte sich und grub in den Tiefen ihres Gehirns. Nichts. Sie schüttelte den Kopf. Was hatte das zu bedeuten? Nebel tauchte vor ihrem inneren Auge auf und der schwarze Pegasus schritt wie in Zeitlupe heran, schemenhaft, von Nebel umgeben. Eine Stimme, ganz in der Ferne... Die Vergangenheit holt dich Reisenden ein...
»Sora?« Archimedes Bariton holte sie in die Gegenwart zurück. »Schon wieder eine Vision?« Sie nickte verwirrt. Die Worte der Stimme klangen in ihr nach.
»Ich muss zu Rheas Grab!«, sagte sie plötzlich.
»Wie bitte?«, fragte Archimedes überrascht. »Jetzt?« Sora nickte und erhob sich hastig. Sie wartete nicht ab, ob Archimedes ihr folgte, sondern eilte schnurgerade zum Aufzug. Sie hatte ihr Essen kaum angerührt, während Archimedes hastig noch einen riesigen Bissen in den Mund schob, bevor er einige Geldscheine auf den Tisch warf und ihr schnell folgte.
Der Fahrstuhl hatte sich bereits in Gang gesetzt. Mit einem mutigen Satz sprang er in die kleine Kabine, die sofort anhielt , als er auf dem schwarzen Feld im Fahrstuhl landet. Sora zog ihn rasch zu sich hinein und der Aufzug setzte seine Fahrt nach unten fort.
»Und was genau erwartest du dort zu finden?«, fragte Archimedes, während er im strömenden Regen neben Sora über das weite Feld mit Hügelgräbern eilte.
Hier auf dieser Ebene hatten die ersten Siedler Euripides Jahrhunderte lang ihre Toten begraben. Heute war es ein Ort der Ruhe, nur besucht von einigen wenigen Pilgern, die Rheas Grab besuchten, um den sagenumwobenen Grabstein mit Rheas Orakel zu sehen. Rheas Grabinschrift.
Zielstrebig suchte sich Sora den Weg entlang der vielen kleinen Hügel, jeder einzelne eine Erinnerung an vergangene Zeiten. In den Sonnenmonaten blühten hier unzählige wilde Blumen. Vereinzelt schossen weißgraue, meterhohe, zapfenförmige Pilze zwischen den Gräbern empor. Sora blickte voraus und wischte sich den Regen aus dem Gesicht.
Die Sicht war trüb und die dicht herab prasselnden Tropfen waren wie ein Schleier, der alles um sie herum unscharf erscheinen ließ. Während der Regenzeit war sie noch niemals hier gewesen. Irgendwie wirkte alles ganz anders. Geheimnisvoll, mystisch.
Beide waren sie schon lange bis auf die Knochen durchnässt. Archimedes packte Sora am Arm und sah sie schweigend an. Sie blickte unschlüssig zurück. Was sollte sie antworten? Sie wusste doch selber nicht, welche Kraft sie trieb. Sie wusste nicht, was sie erwartete, oder ob sie überhaupt etwas erfahren würde. Es war nur ein Gefühl. Eine Intuition? Welchen Anhaltspunkt hatte sie de nn schon? Irgendwo musste sie anfangen, wenn sie herausbekommen wollte, was plötzlich mit ihr los war. Sie zuckte mit den Schultern und starrte durch den strömenden Regen. Archimedes nickte und ließ ihren Arm los. Hatte er verstanden?
»Ich bin jetzt schon völlig durchweicht!«, sagte er.
Trotz des heftigen Regens konnten sie ihn bereits von weitem sehen. Auf einem der vielen Hügelgräber thronte ein massiver zwölf Fuß hoher Steinbrocken. Ein über 12.000 Jahre alter Runenstein! Trotz des hohen Alters war er erstaunlich gut erhalten. Der Zahn der Zeit schien Rheas Grabstein auf mystische Weise verschont zu haben. Wie Sora aus früheren Unterhaltungen mit Archimedes wusste, war der große Stein unter seiner bemoosten Oberfläche wie neu. Dieses Phänomen war von Forschern selbstverständlich zu Genüge untersucht worden. Leider ohne befriedigende Resultate.
Sora lief , dicht gefolgt von Archimedes , den kleinen grasgrünen Hügel hinauf und blieb einige Meter vor dem imposanten, moosbewachsenen Stein stehen. Unter ihnen, in einer kleinen , steinernen Grabkammer, lagen Rheas sterbliche Überreste. Seit Jahrtausenden ruhten sie dort. Hoffentlich in Frieden.
Regen lief an Sora hinab , und ihre Haare - immer noch in einem glänzenden Schwarzblau - klebten ihr an Gesicht und Nacken. Sie spürte, wie kleine Rinnsale ihre Wirbelsäule als Flussbett missbrauchten. Archimedes bot keinen besseren Anblick. Mit einigen Handbewegungen streifte er sich das durchnässte Haar zurück und sah genau wie Sora auf die ausgemeißelten Runen in Rheas Grabstein. Er kannte den Text auswendig und doch las er die Inschrift noch einmal.
Du wirst kommen , um den Kampf gegen das Böse aufzunehmen.
Die Vergangenheit holt dich Reisenden ein. Tri t t ihr entgegen und heiße sie willkommen.
Du zweifelst an deiner Best immung, doch Idun wird dich
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