Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)
dem Leben in Svartalfheim stand, war sie aus dem Schutz der Elfen entlassen. Sie würde das Lager nicht wiederfinden, selbst dann nicht, wenn sie eigentlich genau wusste wo es lag. Folgte sie Biarn und ging sie mit ihm zur Blumenwiese, konnte sie nicht nach Svartalfheim zurückkehren.
»Du musst mit Tora und Kunar reden«, sagte Biarn.
Als ob ich das nicht wüsste , dachte sie. Sie dachte seit langem fast ausschließlich daran. Daran, was ihre Freunde wohl tun würden, wenn sie verkündete, dass die Reise losging. Charlie sah zu Tora und Kunar hinüber.
»Ich werde mit ihnen reden. Gleich morgen.«
Charlie schlief schlecht in dieser Nacht. Unruhig wälzte sie sich auf ihrem Baldachinlager umher. Als sie am nächsten Morgen die Geschwister informieren wollte, ignorierte Kunar sie erneut. Er zeigte lediglich eine Reaktion, als Tora in Erwägung zog, Charlie zu folgen.
Tora fiel ihm in den Rücken? War dies tatsächlich ihr Ernst?
Kunar sprang auf und eilte davon. Tora blieb entmutigt zurück. Das schlechte Gewissen stand ihr ins Gesicht geschrieben.
Letztendlich traf Charlie mit Tora eine Vereinbarung. Charlie würde zur Blumenwiese reisen. Danach würde sie ein letztes Mal in die Nähe des Lagers kommen und an der vom Blitz getroffenen Riesenwichtelfichte einen Tag auf Tora und Kunar warten. Falls sie sich nicht zeigten, würde sie alleine aufbrechen. Sie wollte und durfte keine Zeit verlieren. Sie musste sich ihrem Schicksal stellen – notfalls ohne ihre Freunde.
Tora nickte traurig und sah sich verstohlen nach Kunar um, der weiterhin Charlie hartnäckig ignorierte.
Kurz danach packte Charlie für ihre bevorstehende Reise. Sie fühlte sich dabei sehr einsam. Als sie ihre Habseligkeiten beisammen hatte, waren es so viele, dass sie vor der Entscheidung stand, sich entweder als Packesel zu fühlen oder Dinge zurückzulassen. Ihre Bücher über nordische Mythologie waren sehr schwer, doch gerade auf diese wollte sie nur ungern verzichten. Sie enthielten immerhin wertvolle Informationen. Dann waren da noch eine Decke, Jagdwaffen, ein Wasserbeutel, Riesenigelborsten für neue Pfeile, ihr neuer Mantel und ihre Heilkräutertasche, welche nun auch die kleinen Amphoren mit der Glücksmedizin enthielt.
Zu guter Letzt waren da noch jene Dinge, die sie sowieso ständig bei sich trug, wie zum Beispiel das Messer mit dem Griff aus Horn, einige Feuerzeuge, Seil und den Hexenstein. Charlie hatte sich vorgenommen, Biarn bei Gelegenheit auf die neuen Eigenschaften des Steins anzusprechen.
In diesem Moment tauchte Duva auf. Sie watschelte eilig auf Charlie zu und reichte ihr ein kleines, zusammengefaltetes Tuch.
»Duva ist dem Menschenkind etwas schuldig«, sagte sie mit rosa Wangen. »Ihm und dem anderen Mädchen.« Duva lächelte und wurde noch röter. Und dann erfuhr Charlie, dass Tora es offensichtlich geschafft hatte, die Tratschtante Vitra aus dem Spiel zu kegeln. Brock machte nun endlich Duva den Hof. Charlie verstand Duvas Dankbarkeit gegenüber Tora, doch was hatte sie selbst damit zu tun?
»Oh«, sagte Duva. »Es hat mich vor dem Ertrinken gerettet!«
Tora habe eisern darauf bestanden, dass Charlie das gemeinsame Geschenk verwahren sollte, fügte sie hinzu. Und so kam es, dass Charlie den ersten von Elfen geschaffenen Gegenstand erhielt. Das kleine, gefaltete Tuch konnte sich genau wie das Luftschiff Skidbladner auseinanderfalten. Es ergab allerdings kein Schiff, sondern einen äußerst geräumigen Koffer, in dem Charlie all ihr Eigentum problemlos verstauen konnte. Einmal gefüllt, faltete sich der Kasten wieder auf ein Kleinformat zusammen, das bequem in eine Hosentasche gesteckt werden konnte. Für Charlie war es ein wirklich kostbares Geschenk, für das sie sich nicht genug bedanken konnte.
Das Transportproblem war gelöst. Magie war doch eine fabelhafte Sache!
Als Charlie und Biarn auf den Einhörnern das Lager verließen, rannte Tora ihnen noch einmal nach. Wortlos drückte sie Charlie einen kleinen Beutel aus Seidenspinnergarn in die Hand. Ohne abzuwarten, drehte sich um und lief ins Lager zurück. Als Charlie den Inhalt des Beutels auf ihre Handfläche leerte, sah sie, dass es sich um einige blaue Kontaktlinsen handelte. Sie würde die Linsen für ihre Reise nach Godheim gut brauchen können, schließlich durften dort auf Odens Befehl hin nur Menschen mit blauen Augen leben.
Lange Zeit ritt Charlie schweigend hinter Biarn her. Ihre Gedanken schweiften immer wieder zu Tora und Kunar zurück
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