Die Erben der Nacht 04 Dracas
eine starke Blutrasse von Vampiren schaffen. Ich stieß auf eine Chronik, in der die Vampirin an Drăculeas Seite Erzsébet genannt wird, wie seine erste Frau. Vielleicht gelang es ihm ja tatsächlich, den Tod zu überwinden - jedoch auf andere Weise, als er es sich vorstellte. So ist das, wenn man mit dem Teufel Geschäfte macht. Aber das ist reine Spekulation. Wir waren bei seinen Kindern. Wie das so ist, wurde seinen Nachkommen das Land hinter den Wäldern bald zu klein. Sie begannen sich zu bekämpfen und gingen dann fort, um sich die stolzen christlichen Länder weiter im Westen untertan zu machen. Wenn man weiß, wonach man sucht, kann man in den Chroniken Hinweise darauf finden, zu welcher Zeit sie dort auftauchten. Ein paar blieben im östlichen Teil Ungarns, das vielleicht bald zu Rumänien gehören wird, andere tauchten in Rom auf, in Paris oder in London.«
Latona nickte wissend. »Und daraus entstanden die sechs Clans, nein sieben, wenn man die mitzählt, die in Transsilvanien verblieben sind.«
»Aber was ist aus dieser Vampirin geworden? Die Mutter der Stämme?«, wollte Bram wissen, den Stift über einer neuen Seite bereithaltend.
»Das klingt ja geradezu, als würden Sie diese Geschichten selbst glauben«, warf die Baronin ein. Doch Latona und die beiden Herren schienen sie gar nicht wahrzunehmen.
Der ungarische Professor hob die Schultern. »Das konnte ich bisher nicht herausfinden. Ich glaube, sie weilt schon lange nicht mehr an seiner Seite. Seit zweihundert Jahren wird die Blutsmutter nicht mehr erwähnt. Vielleicht ist es einem Vampirjäger gelungen, sie zu vernichten, oder Drăculea ist ihrer am Ende überdrüssig geworden? Jedenfalls bin ich erst vor Kurzem auf eine sehr interessante Geschichte gestoßen. Seine Nachfahren, die in die bereits erwähnten sieben Clans zerfielen, sagten sich von ihrem Stammvater los und folgten von nun an ihren eigenen Führern, was ihm gar nicht schmecken kann, sollte auch nur ein Hauch des Charakters von Vlad ţepeş noch in ihm schlummern. Er wird alles versuchen, seine Vorherrschaft zurückzugewinnen. Und wenn meine alte Zigeunerin, die mir schon Unglaubliches richtig vorhergesagt hat, wieder einmal recht behält, dann wird dies hier in Wien seinen Anfang nehmen.«
»Sie meinen, dieser Dracula kommt hierher?«, keuchte Latona. »Warum gerade nach Wien?«
»Vielleicht weil sich die anderen Vampire ebenfalls hier auf halten?«, schlug Bram vor.
Latona nickte langsam. »Erst Rom, dann Irland, danach Paris und nun Wien. Ja, das könnte passen.«
Sie sahen sich über den Tisch hinweg an. Die anderen waren vergessen. Die Spannung ließ die gesamte Gesellschaft verstummen, bis die Baronin das Wort ergriff.
»Nun ist es aber genug! Sie haben uns mit Ihren schaurigen Geschichten gut unterhalten, aber jetzt sollten wir es gut sein lassen. Ein walachischer Fürst, der schon hunderte Jahre tot ist, als Blutsauger in Wien! Eine fantastische Geschichte, ja, das muss ich sagen. Aber nun wird es Zeit für den nächsten Gang. Der Kellner sieht schon dauernd herüber und wagt nicht, unser Gespräch zu unterbrechen.«
Baronin von Schey hob die Hand und schon eilte der Kellner herbei und fragte beflissen nach den Wünschen der Herrschaften.
»Sie können auftragen lassen!«
Mit einer Verbeugung eilte er wieder davon und schon Augenblicke später wurden die gefüllten Teller gereicht. Obgleich es ganz
köstlich duftete, stocherte Latona nur in ihrem Essen herum. Zu viele Dinge gingen ihr durch den Kopf.
Ivy saß noch immer bewegungslos da, Hände und Gesicht in Seymours Fell vergraben, in Gedanken bei dem mächtigen Schatten, der bedrohlich näher zu kommen schien. Da begann sich Alisa zu regen und sprang unvermittelt aus dem Bett. Fast im selben Moment ging die Tür auf und das Kammermädchen trat mit einer Verbeugung ein.
»Darf ich Ihnen helfen? Wir müssen uns mit dem Frisieren und Umkleiden ein wenig beeilen, wenn Sie alle perfekt sein wollen, ehe die ersten Gäste eintreffen.«
Alisa zog eine Grimasse. »Wenn es unbedingt sein muss. Wobei ich mich frage, was der ganze Aufwand soll.«
»Es werden heute einige Vertreter der hoffähigen Familien anwesend sein«, erläuterte die Servientin.
Alisa beeindruckte das nicht. »Ja, und? Alter, dekadenter Adel, der nichts anderes vorzuweisen hat als eine lange Ahnenkette der Inzucht und Ländereien, die mit dem Blut und Schweiß von Generationen von Leibeigenen bis zum letzten Gulden ausgepresst wurden, während
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