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Die Erben der Nacht 04 Dracas

Die Erben der Nacht 04 Dracas

Titel: Die Erben der Nacht 04 Dracas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schweikert Ulrike
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lallte ein wenig, wie ein Mensch, der dem Alkohol zugesprochen hat.
    »Das braucht dich nicht zu kümmern. Der Tag ist nicht mehr fern, aber ich habe gute Nachrichten für dich. Wir werden in Ruhe und Sicherheit schlafen, während unsere Reise wie von selbst weitergeht.«
    Noch während er sprach, zogen die Pferde wieder an. Zaghaft tasteten sich die Rösser voran. Sie hörte den Kutscher rufen und mit der Peitsche knallen. Der Hufschlag klang merkwürdig hohl und die Kutsche neigte sich unvermittelt nach hinten. Ivy hörte ein seltsames Hallen, dann richtete sich die Kutsche wieder gerade. Die Pferde hielten an und wieherten ängstlich. Ein Quietschen und dann ein metallenes Dröhnen. Draußen rumorte der Kutscher. Dann wurde es still. Ivy spürte, wie die Sonne aufging. Die bleierne Müdigkeit griff nach ihren Gliedern. Nein, heute würde sie nicht in der Lage sein, ihrer Natur zu trotzen. Ihr Geist stand noch immer unter seiner Macht, die ihr die Kraft raubte und ihren Willen lähmte. Ivy sank auf die Polster. Sie fühlte sich wie in einem großen metallenen Sarg. Was die Sache vermutlich recht trefflich
beschrieb. Ein riesiger Sarg auf Rädern, der schon bald auf eisernen Schienen durch das Land eilen würde.

    Der Zug fuhr um zwei Uhr am Mittag in Wien ab. Bram und die beiden Professoren teilten sich ein bequemes Abteil. Sie waren alle drei zumindest so gut bei Kasse, dass sie sich nicht in die überfüllten Wagen mit den harten Holzbänken zwischen Arbeitern und Bauern zusammendrängen mussten, die mit Kindern und Koffern, Kisten und Säcken aber auch mit dem ein oder anderen Stück Vieh gen Osten fuhren. Schnell passierte der Zug die ärmlichen Vororte und schnaufte schon bald durch die freie Landschaft des Wiener Beckens. Die drei sprachen wenig, jeder hing seinen Gedanken nach und fragte sich, was sie dort im Osten wohl erwarten mochte. Am späten Nachmittag traf die Schienentrasse wieder auf das breite Tal der Donau mit seinen verschlungenen und sich verzweigenden Wasserarmen. Rasch brach die Dämmerung herein, und als sie in Raab - oder Györ, wie die Ungarn die Stadt nannten - anhielten, war es bereits dunkel. Ein Schaffner ging den Gang entlang und verkündete, der Zug werde eine Stunde Aufenthalt haben, ehe er weiter nach Budapest fahre, das er noch vor Mitternacht erreicht haben würde, wenn alles fahrplanmäßig ohne Schwierigkeiten ablief.
    Die drei Herren beschlossen, auszusteigen und sich ein wenig die Füße zu vertreten. Sie schlenderten plaudernd den Zug entlang und beobachteten, wie eine Rangierlok einen weiteren Wagen heranschob und an den Zug ankoppelte.
    Wenn es sich bei den drei Männern nicht um Menschen gehandelt hätte, deren Sinne verkümmert sind, dann hätten sie das Schnauben der vier Pferde vernommen. Ja, dann hätten sie neben den schwarzen Rössern vielleicht auch den alten Vampir gewittert, der mit seiner Geisel in der großen, ebenfalls schwarzen Kutsche saß.

    Latona saß auf einem Stuhl neben Philipps Bett, die Neue Freie Presse zusammengefaltet auf dem Schoß.

    Sie sah ihn forschend an. »Wie geht es dir?«
    »Schon viel besser«, behauptete er, obgleich sein gebrochenes Bein und das rechte Handgelenk dick geschient waren. Auch die Brandwunden an seinem linken Arm, der Schulter und einem Teil seines Rückens mussten ihn schmerzen. Er sah sie mit einem solch seligen Lächeln an, dass Latona sich fragte, ob es allein an seiner Verliebtheit liegen konnte oder vielleicht der Wirkung des Morphiums zuzuschreiben war, das die Ärzte ihm vermutlich gegen die Schmerzen verabreicht hatten?
    Latona sah sich in dem kleinen Krankenzimmer um, das der Patient mit niemandem teilen musste. Es war hell und sauber und roch ein wenig nach Karbol. Philipps Bett stand am Fenster, und wenn er sich aufrichtete, konnte er einen Blick in den Hof werfen, wo junge Frauen in Schwesterntracht von einem Gebäudetrakt zum anderen eilten.
    »Sie behandeln dich hier gut.« Es war eine Feststellung, keine Frage, dennoch nickte Philipp.
    »Ja, der Herr Professor kommt mehrmals am Tag, um nach meinen Genesungsfortschritten zu sehen. Er selbst hat mein Bein operiert und den Knochen wieder eingerichtet. Ich vermute mal, Großmutter hat dafür gesorgt. Er sagt, ich werde in ein paar Wochen wieder normal laufen können - wenn keine Wundprobleme auftreten.«
    Latona lächelte ihn an. »Das ist eine gute Nachricht.«
    Nicht, dass sie ihm die bevorzugte Behandlung nicht gönnte. Aber sie musste an die nach dem

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