Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erben der Nacht 04 Dracas

Die Erben der Nacht 04 Dracas

Titel: Die Erben der Nacht 04 Dracas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schweikert Ulrike
Vom Netzwerk:
Einmischung in ihr Leben war ihr gar nicht aufgefallen, wie vertraut seine Gegenwart ihr geworden war, wie sie ihre interessanten Gespräche liebte und wie sehr sie diesen etwas schrulligen, ernsten Mann inzwischen mochte.
    »Willst du mir nicht vorlesen, was sie in der Zeitung über den Brand schreiben?« riss Philipp sie aus ihren Gedanken. »Es interessiert mich und ich höre so gern deine Stimme.«
    Latona nickte nur und nahm sich die erste Schlagzeile vor. »Oh Gott! Sie haben 386 Tote aus den Trümmern geborgen. Viele von
ihnen sind am Rauch erstickt. Und es werden noch achtzig Menschen vermisst. Man geht davon aus, dass sie vollständig verbrannt sind.«
    Die beiden jungen Leute sahen einander entsetzt an.
    Rasch blätterte Latona weiter. »Hier geht es los mit den gegenseitigen Schuldzuweisungen. Bereits vor Monaten hat ein Theaterbrand in Nizza die Behörden veranlasst, strenge Brandvorschriften für Wiener Theater zu erlassen. Es müsse dafür gesorgt sein, dass sich alle Türen nach außen öffnen, dass ein separates Beleuchtungssystem eingerichtet würde, die langen Sitzreihen durch einen Gang unterbrochen und eine Drahtcourtine die Bühne brandsicher von den Zuschauersitzen trenne. Für diese baulichen Änderungen gab man den Zuständigen des Ringstraßentheaters ein halbes Jahr Zeit. Es gab drei amtliche Überprüfungen, und obwohl diese Vorschriften noch immer nicht umgesetzt worden waren, durfte das Haus am 23. November für die Herbstsaison wiedereröffnen.
    Es gab wohl ein Kompetenzgerangel, wer überhaupt zuständig sei, die Statthalterei oder die Gemeinde, steht weiter unten. Jetzt jedenfalls will man die Schuld Theaterdirektor Franz Jauner in die Schuhe schieben. Er verliert nicht nur sein Theater und seinen Posten, er muss mit einer Haftstrafe rechnen. Na, wenigstens hatte er das Glück, an diesem Abend nicht selbst im Theater zu sitzen. Er kam erst, als das Haus bereits in Flammen stand. Tja, dummerweise war auch der Brandmelder nicht da, sondern saß in einer Kneipe. Und niemand sonst kam auf die Idee, die Feuerwehr zu rufen, sodass erst einige Zeit später zwei Kutscher einen Dachbrand meldeten, dessen die Feuerwehr mit einem einzigen Wagen Herr zu werden glaubte.«
    »Da lagen sie gründlich falsch«, meinte Philipp.
    Latona nickte. »Sie zitieren auch den Polizeioffizier, der Erzherzog Albrecht meldete: ›Alles gerettet‹, als keine Menschen mehr durch die Tür ins Freie drängten.«
    Beide schwiegen. Was für ein fataler Irrtum! Mehr als vierhundert Menschen hatten Schlamperei, Kompetenzstreitereien und falsches Gottvertrauen das Leben gekostet.
    Als Philipp müde wurde und ihm immer öfter die Augen zufielen, machte sich Latona auf den Weg. Sie lief durch lange Gänge
und sah im Vorbeigehen in die Krankensäle. Jetzt, wo sie in der heilen Welt des Palais Schey lebte, war sie noch betroffener von dem vielen Elend, das sie hier zu sehen bekam. Aber es schreckte sie nicht. Vielleicht gehörte sie einfach nicht in die mit falschem Glanz geschmückte Welt der Reichen und des Adels. Vielleicht hatte Onkel Carmelo ihr zu viele Schattenseiten dieser Welt gezeigt.

VON WIEN NACH BUDAPEST
    Der Morgen nahte. Vor ihnen begann sich der Himmel aufzuhellen. Noch immer zog der Schwarm der Fledermäuse gen Osten. Die Freunde blieben eng zusammen, um sich nicht zu verlieren. Allerdings vermieden sie es, im Innern der Wolke aus Leibern und ledernen Flügeln zu reisen. Alisa behauptete, sie wolle sehen, wohin sie flogen, außerdem fühlte sie sich bei dem Schwirren um sich herum mit ihrem ungewohnten Echosinn ein wenig überfordert. Es war etwas anderes, ob man eine Fledermaus führte und sich mit ihren Sinnen verband, wie sie es in Irland gelernt hatten, um sich in der Dunkelheit der Höhlenwelt zurechtzufinden, oder ob man diesen Sinn selbst benutzte. Die beiden Vampire hatten nichts dagegen einzuwenden, sodass Alisa vermutete, auch sie fühlten sich im Zentrum der zuckenden und flatternden Leiber nicht ganz wohl.
    Alisa ließ sich ein wenig tiefer sinken. Wo sie sich im Augenblick wohl befanden? Und wo war die Kutsche mit Ivy und Dracula?
    Sie waren lange über eine Ebene mit brachliegenden Feldern und winterlichen Wiesen geflogen, nun wurde es hügeliger. Wälder dehnten sich unter ihnen aus, als vor ihnen eine Stadt auftauchte, geteilt von einem breiten Strom, der von Nord nach Süd hindurchfloss.
    Das muss Budapest sein, meldete Alisa aufgeregt. Seht nur, was für eine große Stadt. Ein wahres

Weitere Kostenlose Bücher