Die Erben der Nacht 04 Dracas
Das
Feuer war inzwischen gelöscht und obgleich es überall noch sehr heiß war, sind wir vom Bühneneingang her weit bis in den Zuschauerraum vorgedrungen. Es sind noch immer Leichen von Menschen unter den Trümmern, Vampire haben wir nicht gefunden.«
»Du hast also, wie die anderen, in den Ruinen des Theaters gesucht. Und nirgends anders?«, hakte Joanne nach.
Ein plötzliches Zucken huschte über sein Gesicht. Er hatte seine Miene zwar gleich wieder im Griff, doch den dreien war die Bewegung nicht entgangen. Irgendeine Idee war ihm gekommen, die er vermutlich weiterverfolgen würde, sobald es wieder Nacht war.
»Es könnte lohnend sein, sich an seine Fersen zu heften«, schlug Fernand vor, als sie sich nach oben zu ihren Gemächern begaben. »Du hast ihn eindeutig auf eine Idee gebracht. Er wird diese Spur verfolgen.«
Joanne nickte. »Ja, das glaube ich auch. Konntest du in seinen Gedanken etwas lesen, als ihm der Einfall kam?«
Tammo schnitt eine Grimasse. »Er dachte an Hindrik, so viel habe ich mitbekommen, und an ein Geheimnis, das dieser bewahren muss. Ich habe ein Haus in einer engen, steilen Gasse gesehen. Mehr leider nicht.«
Fernand nickte. »Das ist doch schon mal ein Anfang. Dann werden wir den guten Matthias mal ein wenig im Auge behalten. Ich bin gespannt, wohin er uns führt und was wir dort finden.«
BUDAPEST
Latona ließ den Fiaker zwei Häuser weiter vorn anhalten und stieg aus der Kutsche. Nein, die Gegend gefiel ihr gar nicht. Vor allem um diese Uhrzeit war dies kein Ort, an dem sich ein anständiges Mädchen alleine aufhalten sollte. Das las sie ganz deutlich im Blick des Kutschers, der sie nun vielleicht für eine Grabennymphe hielt, wie die Wiener die Frauen nannten, die sich für Geld den Männern
anboten. Das konnte ihr gleichgültig sein. Viel mehr beschäftigte sie ihre eigene Furcht, die ihre Füße lähmte. Das Geisterhaus lag still und dunkel vor ihr. Nichts unterschied es äußerlich von ähnlichen schmalen, ein wenig ärmlichen Stadthäusern und doch strahlte es eine Aura aus, die ihr alle Härchen im Nacken aufrichtete.
»Blödsinn«, knurrte Latona leise. »Du steigerst dich da in etwas hinein. Stell dich nicht so an!«
Nein, sie war nicht zimperlich und hatte schon einiges gesehen und überstanden. Also setzte sie eine grimmige Miene auf und ging entschlossen los. Es warteten ja nur ein paar ruhelose Seelen und zwei Vampire in dem Haus auf sie. Sie kicherte hysterisch.
Seymour hatte gesagt, er würde diesem Servienten der Vamalia vertrauen. Jetzt, als sie vor der Tür stand, fiel ihr ein, dass dies nicht hieß, er würde sich nicht über ein warmes Abendessen freuen, das ihm freiwillig ins Haus kam. Für einen Moment geriet ihr Entschluss ins Wanken. Rasch klopfte sie an, um nicht ganz den Mut zu verlieren.
Nichts. Die Vampire waren noch nicht wach oder bereits fort, um ihren Blutdurst zu stillen. Dann musste sie Seymour eben alleine aus dem Spital holen.
Obwohl sie keine Schritte vernommen hatte, öffnete sich unvermittelt die Tür und ein gut aussehender Mann mit langen, blonden Locken, die er mit einem Samtband zusammengebunden hatte, stand vor ihr. Er hob fragend die Brauen.
»Mein Fräulein?«
»Sind Sie der Servient der Vamalia?«
Falls ihn dies überraschte, so zeigte er es nur dadurch, dass sich seine Brauen noch ein Stück weiter hoben.
»Warum wollen Sie das wissen, Fräulein Latona?«
Sie seufzte. »Nun, da Sie zugeben, zu wissen, wer ich bin, können wir die Spielchen auch lassen. Ein Freund hat mir gesagt, wo ich Sie finden kann.«
»Einer Ihrer Freunde oder einer von meinen?«, wollte der Vamalia wissen.
»Er sagt, er sei Ihr Freund. Sein Name ist Seymour und er liegt mit Verbrennungen und einem gebrochenen Bein im Spital.«
»Und er hat Sie zu mir geschickt?«
Latona schüttelte den Kopf. »Nein, aber als er von Ihnen sprach, dachte ich, Sie könnten mir dabei helfen, ihn unbemerkt aus dem Spital zu schaffen, ehe der Vollmond ihn zu einer Verwandlung zwingt. Dort oben wartet mein Fiaker. Wenn Sie also so freundlich wären, mich zu begleiten.«
Der Vamalia zögerte. »Ich kann das Haus nicht verlassen. Ich …«
Eine Stimme auf der Treppe ließ ihn herumfahren. »Hindrik? Wo sind Sie? Dieser Durst macht mich verrückt. Tun Sie etwas dagegen!«
Er rollte mit den Augen, wandte sich aber der Stimme zu. Neugierig machte Latona einen Schritt vor und sah in das dunkle Haus. Erst als die Sprecherin die letzte Stufe erreichte, traf sie das Licht
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