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Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Titel: Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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schien nicht aufzugehen. Er zog eine grimmige Miene.
    »Tja, falsch gedacht. Nicht alle Vampire müssen sich dem Lauf der Sonne unterwerfen.«
    »Aber Clarissa?«
    »Clarissa schon, ich jedoch nicht!«
    »Dann kann die Sonne dir gar nichts anhaben?«
    Tammo wand sich.
    »Also doch«, murmelte sie. »Dann ist es egal. Du kannst das Haus nicht verlassen.« Sie versuchte, ihren Arm zu befreien, doch trotz seiner zunehmenden Schwäche war er immer noch stark genug, es mit dem Mädchen aufzunehmen.
    »Du bleibst hier, bis es wieder dunkel ist, und dann fahren wir zusammen zu Clarissa!«, sagte er mit einem drohenden Unterton, wie er hoffte.
    »Nein, das werde ich nicht tun!«, widersprach sie. Mit einer erstaunlich schnellen Bewegung griff sie an seinen Gürtel und entriss ihm den Beutel mit dem Pulver, den er ihr abgenommen hatte.
    Verflucht, warum war er nur so langsam?
    Tammo versuchte, ihn ihr wieder abzunehmen, doch da hatte sie das Band schon gelockert. Eine Wolke aus feinem Staub hüllte ihn ein. Tammo hustete und nieste. Er wankte und fiel auf die Knie. Ihr Arm entglitt seinen Händen.
    »Es tut mir leid«, hörte er sie noch murmeln. »Es ist nur für diesen Tag. Ich muss ein paar Dinge klären, dann komme ich zurück. Versprochen.«
    Ihm fielen die Augen zu und er sackte zusammen. Er hörte nicht mehr, wie sie das halb verfallene Gebäude verließ, zum Ufer eilte und die Gondel zurück ins Wasser schob.
    ***
    Eine weitere Nacht brach an. Wieder erwachte Clarissa in ihrer Einsamkeit und stand am Ufer, um ihren Blick zur Stadt hinüberschweifen zu lassen, wo irgendwo Luciano noch immer nach ihr suchte. Oder hatte er inzwischen aufgegeben? Hatte er sich mit dem Unvermeidlichen abgefunden? Hatte er die Stadt gar verlassen?
    Der Gedanke schmerzte sie mehr, als sie zugeben wollte. Mehr, als ihre noch immer verbrannte Haut. Im Westen ballten sich Wolken zusammen. Dann begann es zu regnen. In wütenden Böen peitschte der Wind die Tropfen herab, sodass Clarissa in wenigen Minuten durchnässt war, doch sie spürte die Kälte und die Nässe nicht.
    Nicht die Kälte des Regens. In ihr herrschte eine ganz eigene Kälte, die die Hitze des Schmerzes fast vergessen machte.
    Verwünscht! Warum wollten die Wunden nicht heilen? Sie war ein Vampir! Sie war eine Unreine, deren Körper viel mehr wegstecken konnte als die Körper von Vampiren reinen Blutes. Wunden und Knochenbrüche heilten über Nacht. Zumindest lautete so die Theorie. Warum also funktionierte es bei ihr nicht?
    Selbst wenn sie noch einen Rest an Hoffnung gehegt hatte, dass die Zeit ihr Heilung bringen könnte, war dieser nun endgültig aufgebraucht. Sie war wahrlich zu einem Monster geworden. Ein hässliches Monster, dessen Anblick allein Albträume bescheren würde. Ihre Zeit war unwiederbringlich abgelaufen.
    Sie wollte den Gedanken nicht zu Ende denken. Ihr Blick huschte zum Kloster hinüber, in dem die Frauen in ihren Zellen ihr armseliges Dasein fristeten. Zuerst jedenfalls wollte sie das Ende der Geschichte hören. Ihre Beine schlugen bereits den Weg durch den Klostergarten ein, und nur wenige Augenblicke später schlüpfte sie in den ehemaligen Kreuzgang und eilte die Treppe zu den Krankenzellen hinauf.
    Vielleicht hatte Doriana sie bereits erwartet. Schlief sie denn nie? Jedenfalls stand sie hoch aufgerichtet mitten in ihrer Zelle, den Blick auf die Gittertür gerichtet. Clarissa wünschte ihr einen guten Abend und zog den Riegel zurück.
    »Ein Abend ist wie der andere«, antwortete sie. »An die guten Abende kann ich mich kaum mehr erinnern. Weder an gute Abende noch an gute Tage«, fügte sie hinzu, doch es schwang kein Selbstmitleid in ihrer Stimme. Es war einfach eine Tatsache, mit der sie sich abgefunden zu haben schien.
    »Sie haben mir erzählt, dass Ihr Geliebter Sie und das Kind zu sich holte«, erinnerte Clarissa. Sie setzte sich auf den Stuhl und sah Doriana erwartungsvoll an. Diese nickte und nahm wieder auf ihrem Bett Platz.
    »Ja, er hat uns zu sich geholt und dieses Mal ein Haus weit ab an der südlichen Küste der Giudecca gewählt. Es war ein schönes Haus mit einem prächtigen Saal, wertvollen Lüstern aus Murano, Spiegeln und Gemälden. Es hatte sogar einen kleinen Garten mit einem Brunnen, einem Orangen- und einem Feigenbaum und einigen Steintrögen voll von bunten Blumen  – umgeben von einer hohen Mauer. Dort lebten wir in aller Bequemlichkeit. Meine kleine Tochter und ich mit einer stummen Frau, die er zu uns brachte und die uns zu

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