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Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Titel: Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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die Tochter eures Clanführers. Daran hat sich nichts geändert«, widersprach Tammo.
    »Ach, wenn es doch so einfach wäre. Denkst du wirklich, sie werden weitermachen wie zuvor? Ich fürchte um meinen Vater und ich fürchte um mich selbst. Um meine Freiheit. Um das, was ich mein Leben nannte.«
    Ihr Körper begann zu zittern, so sehr bemühte sie sich, das Schluchzen zu unterdrücken. Tammo hielt sie umfangen und küsste ihr Haar. Wie gern hätte er ihr einen Ausweg gezeigt, hätte ihr angeboten, sie mitzunehmen und zu der seinen zu machen, doch er wagte es nicht. Nicht nach Clarissas Worten. Zu sehr fürchtete er, endgültig abgewiesen zu werden und ohne Hoffnung zurückzubleiben. So hielt er sie nur schweigend in den Armen, bis sie zu ihm aufsah und ihn einlud, sie zu küssen.
    So trieben sie dahin, bis Tammo es endlich über sich brachte, sich von ihr zu lösen und das Boot wieder auf Kurs zu bringen.
    Eine Möwe schoss herab, umkreiste die Gondel und verschwand dann wieder in den Schatten der Nacht. Er hörte ihren heiseren Schrei und wunderte sich ein wenig, dass sie bei Nacht unterwegs war.
    Tammo steuerte auf die Landspitze mit dem Zollhaus zu und legte dann am Kai an. Ein Gefühl von Bedauern und Traurigkeit stieg in ihm auf, als er das Tau befestigt hatte und sich Nicoletta zuwandte.
    »Ich lasse dich nicht gern gehen«, sagte er, »das weißt du!«
    Sie trat noch einmal auf ihn zu und umarmte ihn. »Ja, das weiß ich, aber ich bin im Moment so verwirrt und entwurzelt, wobei sich dieses Wort für eine Tochter Venedigs sicher seltsam anhört. Wir sind kein Volk, das mit seinem Land verwurzelt ist. Wir treiben wie Wellen der See durch unser Leben. Doch mein Lebensschiff wurde von einem Sturm abgetrieben und muss seinen Kurs erst wiederfinden.«
    »Und wie kann ich dich wiederfinden?«, fragte Tammo. »Was ist, wenn du Hilfe brauchst?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Dann wirst du vermutlich schon weit weg sein, zurück in Hamburg oder mit Clarissa nach Irland reisen.«
    »Trotzdem will ich, dass du mich rufst, wenn du mich brauchst oder wenn du es dir überlegt hast«, fügte er leise hinzu.
    Sie fragte nicht, was. Statt zu antworten, küsste sie ihn noch einmal zärtlich auf den Mund, dann trat sie zurück und griff nach den Rudern. Tammo blieb nichts anderes übrig, als auszusteigen und das Tau zu lösen.
    Er blickte ihr nach, wie die Gondel in die Dunkelheit eintauchte. Ob er sie jemals wiedersehen würde? Sein kaltes Herz wog felsenschwer in seiner Brust. Ein Gefühl, das er bis zu diesem Tag nicht gekannt hatte. Er hätte nichts lieber getan, als sich zu wandeln und ihr hinterherzufliegen, sie wieder in seine Arme zu nehmen und ihr zu schwören, dass er nicht mehr von ihrer Seite weichen würde, doch er rührte sich nicht von der Stelle.
    War es ein Fehler, sie jetzt gehen zu lassen? Würde er dies für immer bereuen müssen?
    Tammo wusste es nicht. Er fühlte nur den Schmerz.
    Da war wieder diese Möwe, die schon eine ganze Weile dem Boot gefolgt war. Nun stieß sie zu ihm herunter, umkreiste ihn ein paar Mal und ließ sich dann auf einem der Pfähle nieder, die aus dem Wasser ragten, wo noch vor wenigen Minuten Nicolettas Gondel gelegen hatte.
    »Verschwinde!«, rief er ärgerlich und machte eine Handbewegung, um die Möwe zu verscheuchen.
    Sie erhob sich mit einem heiseren Schrei in die Luft und begann nun wieder, ihn zu umkreisen.
    So schlecht gelaunt in dieser herrlichen Nacht? Sieh, der Regen hat sich verzogen.
    Tammo sah zu der Möwe auf. Er hätte es wissen müssen. Alisa, was willst du hier? Verschwinde!
    Doch die Möwe landete auf der Kaimauer und klappte ihre Flügel ein. Dann verschwand sie in grün wirbelndem Nebel, aus dem einen Wimpernschlag später seine Schwester trat. Sie stellte sich neben ihren Bruder und folgte seinem Blick, der noch immer an dem Boot hing, das kaum mehr zu erkennen war.
    »Dann hast du sie also doch gehen lassen«, sagte Alisa schließlich. »Ich konnte mir das nicht vorstellen.«
    »Was? Dass ich zum Verräter werde?«, rief er in aggressivem Ton, auf den Alisa nicht einging.
    »Ich habe den anderen widersprochen. Ich war mir sicher, die Larvalesti hätten auch dich entführt. Nun lerne ich dazu. Man muss auch mit der Liebe rechnen. Nur hätte ich bei dir nicht gedacht  – verzeih  – , ich meine, für mich warst du nur mein kleiner Bruder.«
    »Ein Kind, ja, ich weiß«, sagte er bitter. »Vielleicht beruhigt es dich, dass es auch mich völlig unvorbereitet

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