Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)
drückte den Rücken durch. Sie bewegte sich langsam, doch dem Schmerz konnte sie nicht entgehen. Die verkrustete Haut ließ sich nicht mehr dehnen und riss bei jeder Bewegung an verschiedenen Stellen auf. Wundflüssigkeit sickerte zwischen den geschwärzten Krusten herab. Sie sagte nichts. Sie sah Tammo nur an.
»Ich dachte, Nicoletta lügt, als sie sagte, du seist frei und du wolltest nicht zu uns zurückkehren. Nicht zu Luciano zurückkehren«, fügte er noch leiser hinzu. »Aber es stimmt, nicht wahr?«
Clarissa nickte sacht mit dem Kopf. »Ja. Sieh mich an. Ist das nicht Antwort genug?«
Tammo trat vorsichtig näher und ließ seinen Blick langsam über sie gleiten. Clarissa wäre vor der prüfenden Musterung am liebsten geflohen, doch sie zwang sich, sich nicht zu rühren.
»Ich verstehe das nicht«, sagte Tammo schließlich. »Ich weiß, was die Sonne einem Vampir antun kann, doch du hast überlebt. Du müsstest dich regenerieren. Ja, innerhalb einer Nacht müssten Haar und Haut nachwachsen. Du bist eine Unreine!«
»Dann kannst du dir das auch nicht erklären?«
Er konnte ihr keine Hoffnung machen. »Nein, ich habe noch nie gehört, dass es nicht funktioniert.«
»Dann bin ich verflucht. Ich dachte, ein Vampir zu sein, sei schon ein Fluch. Doch jetzt sehe ich klar. Jetzt bin ich wirklich zu dem Monster geworden, das ich zuvor bereits zu sein glaubte.«
»Du bist keine andere als zuvor«, widersprach Tammo. »Du bist Clarissa de Nosferas – ein verletzter Vampir, aber ein Vampir, dem ein zweites, ein ewiges Leben geschenkt wurde.«
»Das ich aber nicht mehr haben will«, entgegnete Clarissa heftig. »Warum wollt ihr das nicht verstehen?«
»Weil Schönheit allein nicht dein Wesen ausmacht, das dich wertvoll und liebenswert macht«, erklang Nicolettas Stimme. Ihre Gestalt löste sich aus der Dunkelheit, als sie näher an das Bett herantrat. Sie stellte sich neben Tammo und griff nach seiner Hand.
Clarissa war für einen Moment von ihrem Leid abgelenkt und starrte die beiden abwechselnd an. Während Tammo ihre Musterung mit gleichmütigem Ausdruck über sich ergehen ließ, wurde Nicoletta rot.
»So ist das also«, murmelte Clarissa. Dann sah sie Nicoletta an. »Überlege es dir gut, ob du deinen Gefühlen folgen willst. Er ist ein Vampir!«
»Das weiß ich«, gab Nicoletta zurück. »Danke für den Hinweis, doch ich habe seine Zähne bereits in meinem Hals gespürt.«
»Er hat von deinem Blut gekostet und wird immer wieder davon trinken wollen«, prophezeite Clarissa. »Wie lange wird es ihm gelingen, sich zu beherrschen? Wann wird sein Trieb größer als die Liebe, die er für dich empfindet?«
Tammo begann zu protestieren, doch ungewöhnlich energisch schnitt ihm Clarissa das Wort ab.
»Sei ruhig und lass mich mit ihr sprechen. Ich wünschte, ich hätte eine Freundin gehabt, die mit mir geredet und mich gewarnt hätte.«
»Und wenn du sie gehabt hättest? Wärst du Luciano dann nicht gefolgt? Hättest du ihn abgewiesen?«
Clarissa sah ihn traurig an. »Ich weiß es nicht, Tammo. Ich kann es dir nicht sagen, aber ich will nicht, dass sich Nicoletta genauso unwissend auf etwas einlässt, das sie das Leben kosten wird – zumindest das Leben als Mensch, so wie sie es kennt.«
»Aber was bekommt sie dafür!« Tammos Augen leuchteten. »Ein ewiges Leben voller Abenteuer, die Verlockungen der Nacht und einen Körper, der niemals altert, der schnell ist, voller Kraft … «
»Und unverwundbar?«, fügte Clarissa bitter hinzu.
Tammo schwieg betroffen.
»Nein, sagte er schließlich, »auch Vampire sind verwundbar, doch ganz sicher robuster als Menschen.«
Nicoletta hatte der Diskussion schweigend zugehört. Nun erhob sie die Stimme.
»Wir müssen das nicht weiter ausführen. Ich habe nicht vor, ein Vampir zu werden. Ich fühle mich als Larvalesti ganz wohl. Und jetzt muss ich gehen.«
»Ich komme mit dir! Und Clarissa kommt auch mit.«
Sie sprang vom Bett und wich zurück, obwohl die hastigen Bewegungen Wellen von Schmerz durch ihren Körper trieben.
»Nein! Auf keinen Fall. Ich habe es dir erklärt. Ich kann nicht zurück!«
»Und was willst du stattdessen tun? Dich in aller Ewigkeit hier auf dieser Insel verstecken?«
»Ja. So lange meine Ewigkeit dauert«, sagte sie fest.
Tammo hob resignierend die Schultern. »Nun gut, dann bleib eben hier, aber ich muss zu den anderen zurück, und da ich mich nicht wandeln kann, musst du mir einen Platz in deinem Boot anbieten. Ich kann für
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