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Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Titel: Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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bedeckten Podesten hin und her. Die Oscuri waren bereits dabei, die goldenen und mit Edelsteinen besetzten Gefäße der Kirchen und Klöster in ihre Beutel zu packen. Am Boden entdeckten die Vampire zwei gefesselte Wachmänner, deren Blicke starr gegen die Deckengemälde in ihren schweren goldenen Rahmen gerichtet waren. Sie schienen nicht mitzubekommen, was um sie herum vor sich ging. Offensichtlich hatten die Oscuri wieder ihr magisches Pulver eingesetzt. Alisa presste die Lippen fest aufeinander.
    Leo, der dicht hinter ihr stand und ihr über die Schulter sah, tippte an ihren Arm und deutete nach vorn.
    »Das da drüben ist Calvino, Nicolettas Vater«, raunte er ihr ins Ohr.
    Alisa wollte gerade fragen, wie er ihn erkannt hatte, als auch sie den weißen Verband an seiner Rechten bemerkte, der am Rand des Handschuhs hervorlugte, Zeuge einer Wunde, die eine Pistolenkugel in seine Hand gerissen hatte. Alisa fühlte kein Bedauern. Sie war eher stolz auf diesen präzisen Schuss und beglückwünschte sich nachträglich zu dem Einfall, der ihr im Sommer gekommen war, als die Langeweile so schwer über dem Hafen lag wie die brütende Hitze. Sie war mit Leo und Tammo losgezogen, um sich von dem Dracas das Schießen beibringen zu lassen. Auf dem Deich, weit ab aller menschlicher Behausungen, hatten sie geübt, bis sie und Tammo eine Münze aus zwanzig Schritt Entfernung trafen!
    Alisa konzentrierte sich wieder auf die vermummten Männer im Ratssaal.
    »Wir haben ihren Vater, wer aber sind die beiden Verräter?«
    Sie wollte sich gerade an Nicoletta wenden, als diese sich plötzlich nach vorn drängte und, ehe die Vampire sie aufhalten konnten, in den Saal trat. Leo stöhnte leise.
    »Ich habe geahnt, dass sie so etwas tun könnte.«
    Er hielt Alisa fest, die Nicoletta hinterher wollte.
    »Warte. Noch sind wir eine Überraschung, mit der sie nicht rechnen. Lass uns diesen Vorteil!«
    Nicoletta trat in die Mitte der Stirnseite, sodass  – wie symbolträchtig  – Jacobo Tintorettos »Paradies« hinter ihr aufragte. Es war seinerzeit das weltgrößte Gemälde gewesen. Mehr als zwanzig Meter lang und ganze sieben Meter hoch bis zur Decke!
    Einer der Oscuri entdeckte das Mädchen, obgleich es sich lediglich durch seine etwas geringere Körpergröße und die schmalere Gestalt unter dem schwarzen Umhang von ihnen unterschied.
    »Nicoletta?«, rief eine Stimme ungläubig.
    Die maskierten Gestalten hielten in ihrem Tun inne und wandten sich alle dem Mädchen zu.
    Der Mann mit dem Verband an der Hand machte Anstalten, auf sie zuzugehen, doch sie hob den Arm.
    »Halt! Padre , ich habe versucht, es dir zu sagen, als wir allein waren, aber du wolltest mir nicht zuhören. Nun hört mir alle zu!«
    Sie deutete auf die Porträts der Dogen, die unter der Decke rund um den Saal angeordnet waren. Sechsundsiebzig an der Zahl, von Tintorettos Sohn Domenico gemalt. Lauter alte Männer, die ernst und hoheitsvoll dreinsahen. Eines der Bilder allerdings war anders. Ein schwarzer Schleier verhüllte das Gesicht.
    »Seht sie euch an. Sie haben ehrenvoll der Republik gedient und wurden dafür verehrt. Doch ein schwarzes Schaf gab es unter ihnen.« Ihr Finger zeigte in Richtung des mit dem Tuch verhüllten Porträts. »Einen Verräter gab es, der zu Recht sein Leben dafür geben musste. Und selbst die Erinnerung an ihn wurde ausgelöscht.«
    »Nicoletta, was soll das?«, unterbrach sie ihr Vater, aber sie schnitt ihm das Wort mit einer heftigen Handbewegung ab.
    »Auch unter den Oscuri befinden sich zwei Verräter! Sie haben die Polizei über eure Pläne informiert. Sie wird jeden Augenblick hier sein. Und die beiden Verräter trachten dir, Padre , nach dem Leben, denn Flavio will selbst der Führer der Oscuri werden!«
    »Nicoletta, das sind unhaltbare Verleumdungen«, widersprach ihr Vater.
    »Nein, es ist die Wahrheit. Ich habe ihn und Alessandro belauscht, als sie über ihren widerlichen Plan gesprochen haben.«
    Alisa sah die plötzliche Bewegung. Sie hatte bis dahin geglaubt, die Oscuri seien unbewaffnet zu diesem Raubzug aufgebrochen, doch da bewegte sich der Umhang des Mannes, der neben Calvino stand. Die Mündung einer Pistole erschien.
    Alisa reagierte, ohne nachzudenken.
    Drei Schüsse fielen.
    Eine der Kugeln verfehlte Nicoletta knapp und bohrte sich in den wertvollen Tintoretto hinter ihr. Die beiden anderen Kugeln trafen den Schützen und warfen ihn rücklings zu Boden. Noch während Alisa in den Saal lief, gewahrte sie die rauchende

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