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Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Titel: Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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zu. Tammo dagegen, der kaum zwei Schritte hinter ihnen gewesen war, zögerte nicht. Er stürzte sich in die Tiefe, bekam Stoff zu fassen  – Calvinos Mantel  – und griff zu.
    Tammo riss die Arme zur Seite und spannte den Umhang auf, sodass der Wind ihn blähte und seinen Sturz abfing. Ein Ruck ließ ihn erzittern.
    Calvino schrie auf, als Nicolettas Hand seiner entglitt. Ihr Aufschrei war wie sein Echo. Calvino versuchte noch, sie festzuhalten, aber es war bereits zu spät. Doch durch die hastige Bewegung riss sein Umhang weiter ein, und in Tammos Hand blieb nur ein Stück schwarzer Stoff zurück. Calvino stürzte seiner Tochter nach in die Tiefe. Tammo sah voll Entsetzen die beiden Körper fallen. Einer von ihnen traf knapp vor der Kaimauer auf das Wasser und setzte die schwarze Oberfläche des Kanals in Bewegung. Der andere Körper schlug mit einem schauderhaften Geräusch auf die kaum mehr mit Wasser bedeckte Kaimauer auf.
    Alisa hörte Tammo aufheulen. Er klappte die Schwingen ein und schoss ebenfalls in die Tiefe. Wasser spritzte auf, als er neben der reglosen Gestalt auf der Kaimauer landete.
    Alisa stand an der Dachkante und sah zu ihm hinunter. Sie spürte, wie ihre Knie weich wurden.
    Nein, nein, nein! Das durfte nicht wahr sein. Tammos Schmerz traf sie wie eine Woge, als er die Gestalt vorsichtig umdrehte und in seine Arme nahm.
    Alisa stieß sich von der Dachkante ab und breitete die Arme aus. Der Umhang trug sie sacht zu Boden, wo sie neben ihrem Bruder landete. Ihr Blick fiel auf das bleiche Gesicht, das die zurückgeschlagene Kapuze freigab.
    Sie hatte es befürchtet. Es war Nicoletta, doch wo war ihr Vater?
    Sie trat an die Kante und sah ins Wasser. Luftblasen stiegen aus der Tiefe auf. Beherzt warf Alisa den Umhang ab und sprang ins Wasser. Sie tauchte ab, immer den Blasen folgend, und bekam ein Stück Stoff zu fassen.
    Energisch schlug sie die Beine zusammen und gelangte noch ein Stück tiefer. Ihre Hände tasteten nach einem Arm. Sie griff zu, drehte sich um und stieß ihre Füße in den Schlamm. Mit zwei kräftigen Beinschlägen beförderte sie sich und ihre Beute an die Oberfläche und hievte Calvino an Land. Mit einem Sprung war sie aus dem Wasser und beugte sich über den Bewusstlosen. Sein Bein stand in einem seltsamen Winkel ab. Er musste beim Aufprall auf das Wasser gegen die Mauer gestoßen sein. Ansonsten konnte sie keine Verletzung entdecken. Sie drückte ihm auf den Brustkorb. Ein Schwall Wasser schoss aus seinem Mund. Noch einmal drückte Alisa fest zu.
    Röchelnd holte er Luft, dann hustete er. Sein Oberkörper bäumte sich auf. Er erbrach das schmutzige Kanalwasser und was er sonst noch in sich hatte. Dann ließ er sich mit einem Stöhnen wieder zurücksinken. Seine Lider schlossen sich, doch er atmete geräuschvoll.
    Alisa wandte sich zu Tammo um, der noch immer Nicoletta an sich gepresst hielt. Ihre Blicke trafen sich. Sie brauchten nichts zu sagen. Sie hatten sie beide stürzen sehen. Vier Stockwerke tief auf steinernen Boden.
    Auch Alisa war vor einigen Nächten so tief gefallen, doch sie war ein Vampir, dessen Körper sich rasch von nahezu jeder Verwundung erholte. Nicoletta dagegen  – Larvalesti oder nicht  – hatte nur den verletzlichen Körper eines Menschen.
    Alisa ging neben ihnen in die Knie und umfasste Nicolettas Arm. Ein schwaches Pochen. Überrascht sah sie auf. »Sie lebt noch!«
    Tammo nickte. »Ja, noch, du sagst es. Aber wie lange?«
    Alisa antwortete nicht. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie spürten beide, dass Nicoletta im Sterben lag.
    Ein Schatten erhob sich plötzlich über ihnen. Alisa fuhr herum und sah zu Anna Christinas schönem Gesicht auf, das ernst zu ihr herabblickte.
    »Ich will eure traute Trauer ja nicht stören, aber ihr solltet von hier verschwinden, und zwar schnell!«
    »Was?« Alisa starrte sie verwirrt an.
    »Ihr habt wohl vergessen, dass die Polizei mit einem Regiment Bewaffneter den Palazzo umstellt hat und nun ausschwärmt, die Geflohenen doch noch zu erwischen. Sie können jeden Moment hier sein.«
    Alisa sprang auf. »Tammo, komm! Hier können wir nicht bleiben.«
    Er hob Nicoletta vorsichtig hoch. »Wohin?«, fragte er.
    Alisa sah ihn nur ratlos an.
    »Wenn ich mich als Führer anbieten dürfte?«, schlug Anna Christina vor. Sie beugte sich vor und nahm den großen Mann in ihre Arme, als wiege er nicht mehr als ein Kleinkind. Dann ging sie mit strammen Schritten voran, ohne sich zu vergewissern, ob die beiden Vamalia

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