Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)
so wie ich.«
»So wie Clarissa.«
In ihrer Miene spiegelten sich die verschiedensten Empfindungen, die Alisa nicht alle zu deuten wusste. Sie spürte Hoffnung, aber auch Angst.
»Nein!«, mischte sich eine Stimme ein. Die Vampire fuhren herum. »Nein, das lasse ich nicht zu!«
Sie hatten nicht bemerkt, dass Calvino wieder zu sich gekommen war. Nun richtete er sich auf der Chaiselongue auf und versuchte aufzustehen, um zum Bett zu eilen, doch sein gebrochenes Bein trug ihn nicht und ließ ihn zurücktaumeln. Er stöhnte vor Schmerz.
»Nein«, sagte er noch einmal leise. »Ich kann nicht auch noch sie verlieren.«
Alisa trat zu ihm und drückte ihn in das Polster zurück. »Sie werden Nicoletta hergeben müssen, auf die eine oder andere Weise. An den Tod oder an uns Vampire, daran ist nichts mehr zu ändern. Flavio hat Ihren Umhang beschädigt und Nicoletta hat ihren Tammo gegeben. Sie hat versucht, es Ihnen zu sagen!«
»Aber ich habe nicht zugehört.« Er stöhnte und verbarg sein Gesicht in den Händen.
»Lassen Sie sie gehen!«, sagte Alisa sanft. Sie griff unter seine Achseln, zog ihn hoch und brachte ihn hinüber zum Bett, wo er neben Nicoletta in die Kissen sank. Er nahm die Hand seiner Tochter.
»Verzeih mir. Ich habe so viel falsch gemacht, dabei wollte ich dich stets nur beschützen und ein guter Vater für dich sein.«
Nicoletta nickte. »Ich weiß. Ich liebe dich, doch nun muss ich gehen. Es ist der Lauf der Welt, das weißt du. Die Tochter muss den Vater verlassen. Ich entscheide mich lediglich für Tammo und nicht für Gabriele. Tammo kann ich lieben. Verstehst du das?«
Er seufzte tief. »Ja, ich verstehe das, besser als du denkst. Die Liebe ist vielleicht die stärkste Kraft.« Er beugte sich vor und küsste ihre Wangen.
»Ich bete darum, dass es dir gut geht und wir uns vielleicht einmal wiedersehen.«
Alisa brachte Calvino zu der Chaiselongue zurück, wo er stöhnend niedersank. Er weinte, doch sie ließ ihn allein und ging zu Tammo, der Nicoletta nun in seinen Armen hielt. Sie legte ihm ihre Hand auf die Schulter.
Tammo, du wirst es nicht schaffen , sagte sie in seinem Geist, damit Nicoletta sie nicht hören konnte. Wenn du es versuchst und scheiterst, dann stirbt nicht nur Nicoletta. Dann reißt sie dich mit ihrem Tod ins Schattenreich, wo du auf ewig verdammt als willenloser Geist umhertreiben wirst. Das kann ich nicht zulassen!
Dann hilf mir!
Sein Schmerz rührte sie, und sie hätte alles gegeben, um ihm das zu ersparen, doch sie wusste nicht, wie. Bedauernd schüttelte Alisa den Kopf.
Du überschätzt meine Kräfte. Selbst wenn ich dir helfe, wird es nicht funktionieren.
Mir einem letzten Seufzer verlor Nicoletta das Bewusstsein. Ihr Kopf sank zurück, ihre Augen schlossen sich. Es ging zu Ende.
W ANDLUNG
»Leo, wir sollten wirklich gehen!« Hindriks Blick glitt von der offenen Tür, in der Anna Christina eben verschwunden war, zu den beiden Fechtern zurück.
Ein grimmiger Zug lag um Leos Miene. »Ach ja? Dann muss ich es wohl zu Ende bringen. Was denkt ihr? Was hat ein Verräter verdient?«
Während er in ruhigem Ton sprach, ließ er seine Streiche so rasch auf den Oscuro niederzischen, dass dieser gezwungen war, zurückzuweichen.
Hindrik hob erstaunt die Brauen. Wie schaffte der Dracas das? Wurde er dieses Mal nicht von dem Pulver beeinträchtigt? Oder war sein Zorn einfach größer?
»Den Tod! Ich denke, Nicoletta würde uns zustimmen«, fuhr Leo, äußerlich noch immer beherrscht, fort.
»Du weißt, was die Clanführer am Genfer See beschlossen haben«, erinnerte ihn Hindrik.
»Ich dachte, das gilt nur fürs Blutsaugen«, gab der Dracas leichthin zurück, entwaffnete seinen Gegner mit einem unerwarteten Streich und stieß ihm dann den Degen in die Schulter. Mit einem Ruck zog er ihn zurück und sah mitleidslos, wie Alessandro taumelte und auf die Knie fiel.
Leo wischte seinen Degen ab und schob ihn in die Scheide zurück. »Gut, überlassen wir der Polizei die Entscheidung, was sie mit ihm anfangen will. Gehen wir!«
Sie huschten aus dem Saal. Gerade als sie die Tür zu einer schmalen Stiege hinter sich schlossen, stürmten die ersten Bewaffneten in den Vorraum und weiter in den großen Saal, wo sie neben den beiden Wachmännern lediglich einen toten Larvalesto fanden und einen Verletzten, den sie verhaften konnten. Der Rest war ihnen wieder entkommen, aber immerhin würden sie sich dieses Mal rühmen, die Diebe mit nur wenig Beute verscheucht zu haben. Die
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