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Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Titel: Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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vor der Backsteinkirche, die dem Stadtviertel San Polo seinen Namen gegeben hatte. Die Kirche musste schon sehr alt sein. Vermutlich war sie tausend Jahre alt, allerdings war sie später gotisch umgestaltet worden.
    Alisa wollte gerade den Brunnen passieren, der auf keinem öffentlichen Platz fehlen durfte, als sie innehielt. Für einen Moment stand sie reglos da und prüfte die Gerüche um sich herum, dann erhellte ein triumphierendes Lächeln ihr Gesicht.
    »Er war hier«, stellte Leo fest, der rasch näher kam, um die Spur zu überprüfen. Sie sahen einander an und nickten.
    »Ja, und die Fährte ist deutlich frischer!«, rief Alisa aus. Ihre Stimme zitterte vor Erregung.
    »Und sie ist nicht von so vielen anderen überlagert«, ergänzte Leo. Er folgte der Spur erst in die eine, dann in die andere Richtung.
    »Was meinst du, von wo ist er gekommen?«, wollte Alisa wissen, die die Fährte nochmals überprüfte.
    Leo blieb stehen und stemmte die Hände in die Hüften. »Nach so vielen Stunden schwer zu sagen. Außerdem wissen wir nicht, ob er von seinem Palazzo kam oder dorthin zurückwollte.«
    »Dann müssen wir eben beide Richtungen überprüfen.«
    Leo nickte. »Ich fürchte, uns bleibt nichts anderes übrig. Wo fangen wir an? Such’s dir aus.«
    Alisa drehte sich einmal um ihre Achse, betrachtete den Platz mit der Kirche und sah dann auf Leos Karte. »Also wenn wir in Richtung Chor gehen und dann die Gasse am Kirchenschiff entlang, folgen wir dem Canal Grande. Die andere Seite scheint sich eher nach Nordwesten zu orientieren, wo am Ende des Viertels der Canal Grande am Bahnhof ankommt.
    Leo überlegte kurz. »Ja, das könnte hinhauen. Also nach Südwesten?«
    Alisa nickte, und so machten sie sich auf den Weg, immer der Fährte ihres Freundes folgend.
    ***
    Als Luciano erwachte, fühlte er zuerst seinen Hunger und dieses prickelnde Gefühl freudiger Erwartung, das seine Nächte seit einigen Jahren begleitete. Seit er die Akademie besucht hatte.
    Seit er Alisa, Ivy, Leo und die anderen Erben der Clans kennengelernt hatte.
    Und seit Clarissa sein nächtliches Dasein in Aufruhr versetzt hatte.
    Clarissa!
    Mit einem Schlag verging ihm der Hunger, und die freudige Erwartung wich Entsetzen, als ihm alles wieder einfiel. Er klappte den Deckel auf und ließ den Blick zu ihrem Sarg schweifen, in der verzweifelten Hoffnung, sie dort zu finden, doch er war leer. Luciano kniete sich neben ihn und sog ihren Duft in sich ein, der bereits zu verblassen drohte.
    Nein, nein, nein! Er durfte sie nicht verlieren. Schon der Gedanke versetzte ihn in Panik. Er erhob sich und wich zurück. Mit ihrem Duft in der Nase konnte er nicht klar denken. Und das musste er, wenn er sie wiederfinden wollte.
    Also. Was sollte er jetzt tun? Er rief sich seine vergebliche Suche der vergangenen Nacht ins Gedächtnis zurück.
    Warum hatte er keine Spur von ihr gefunden?
    Weil es keine von ihr gab? Oder ließen ihn seine Sinne im Stich?
    Das war nicht möglich. Oder etwa doch?
    Er dachte mit Unbehagen an seinen vergeblichen Versuch, sich zur Fledermaus zu wandeln.
    Nun gut, vielleicht war er etwas außer Übung geraten, versuchte er sich einzureden. Aber auf seinen Geruchsinn konnte er sich verlassen.
    Das würde bedeuten, dass Clarissa das Haus nicht durch das Landtor verlassen und vergangene Nacht auch keine Gasse von Dorsoduro oder San Polo betreten hatte.
    Was für Möglichkeiten gab es noch, im Sinne des Wortes spurlos zu verschwinden? Fliegen schied aus. Dann blieb nur noch das Wasser, das das Haus an zwei Seiten umfloss.
    Ihre Gondel war noch da, und er nahm auch nicht an, dass sie einfach in den Kanal gesprungen war. Für einen Augenblick ließ diese Vorstellung ihn erschaudern. Clarissa in ihren ausladenden Röcken, wie sie hilflos im Wasser trieb, das sie mit gierigen Fingern in die Tiefe zu ziehen suchte.
    Blödsinn!
    Sie war kein Mensch, der einfach ertrinken konnte. Und warum sollte sie überhaupt ins Wasser gesprungen sein? Luciano fand keinen Grund.
    Er sah aber auch keinen, warum sie ihn überhaupt auf diese Weise verlassen sollte. Es kränkte ihn.
    Energisch schob Luciano die Gefühle beiseite. Das half ihm jetzt nicht weiter.
    Oder war sie gar nicht freiwillig gegangen? Das würde bedeuten, jemand müsste in den Palazzo eingedrungen sein und sie gezwungen haben.
    Unmöglich. Jeder Mensch oder Vampir hätte Spuren zurückgelassen. Vielleicht keine, die man sehen, aber ganz sicher welche, die man riechen konnte, und so sehr Luciano

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