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Die Erben der Nacht - Pyras

Die Erben der Nacht - Pyras

Titel: Die Erben der Nacht - Pyras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Ivy zog mit Seymour als Erste los. Sie spürte, dass sowohl Alisa als auch Luciano enttäuscht waren, dass sie ihre Begleitung ablehnte, doch sie blieb hart. Bevor sie ging, warf
sie Franz Leopold noch einen Blick zu. Wäre auch er gern mit ihr gegangen? Seine Miene war unergründlich. Er verstand es immer besser, seine Gedanken und Gefühle vor ihr zu verbergen. Rasch wandte sich Ivy ab und verschwand in der Finsternis des felsigen Ganges.
    Ivy hatte zwar den richtigen Ausgang aus der Höhle gewählt, bog dann aber, kaum dass sie außer Sicht war, an der ersten Möglichkeit nach Nordosten ab. Ein wenig nagte das schlechte Gewissen an ihr, als sie nach dem eisernen Ring mit den Schlüsseln und Haken in ihrer Tasche tastete, den sie Alisa heimlich abgenommen hatte. Die Vamalia würde ihr zürnen, dass Ivy sie nicht mitgenommen hatte, aber Ivy hatte das Gefühl, ihre Mission würde eher gelingen, wenn sie es alleine versuchte. Sie rief sich noch drei Ratten, zusätzlich zu denen, die sie bereits mitgebracht hatte, und schickte sie in alle erdenklichen Richtungen voraus. Ivy hatte die Stadtkarte grob im Kopf und wusste, dass sie dem Bogen der Seine in gewissem Abstand folgen und dann nach Osten gehen musste. Doch wie ihr Weg verlaufen würde, wusste sie noch nicht. Sie ignorierte die Kommentare, die Seymour in Gedanken sandte. Er war alles andere als begeistert von ihrem Alleingang.
    »Gib jetzt Ruhe!«, herrschte sie ihn an. »Ich muss mich auf die Ratten konzentrieren.«
    Lüg nicht! , gab Seymour zurück. Du lernst wohl niemals dazu, Ivy-Máire? Wir sind hier nicht in Irland!
    »Eben! Hier werde ich nicht verfolgt, und keiner versucht, mich zu vernichten. Es geht hier um etwas ganz anderes«, konterte Ivy.
    Um etwas, das uns nichts angeht!
    »Es geht die Pyras an, mit denen die Lycana einen Pakt geschlossen haben. Also geht es auch uns etwas an.«
    Seymour brummte weiter vor sich hin, doch Ivy ignorierte ihn. Schnell ließen sie den Bereich des Steinbruchs hinter sich. Ivy dachte schon, sie müsse an die Oberfläche, um ihren Weg fortzusetzen, doch die Ratten zeigten ihr einen Kontrolltunnel, der sie in einen der Abwasserkanäle führte. Dieses Mal war es einer der engen mittelalterlichen Schächte, auf dessen morastigem Grund sie nur langsam vorankam. Sie sandte den Ratten das Bild eines großen Sammlers
und hoffte, sie würden ihr Anliegen verstehen und sie so schnell wie möglich zu einem der weiten Kanäle führen. Bald hatten sie ihn erreicht. Noch eine Abzweigung zu einem Seitenarm, dann eine Leiter, die die Ratten durch einen schmalen Riss in der Wand überwanden. Nun stand sie vor einer verschlossenen Gittertür. Ivy zog die Schlüssel und Häkchen hervor, die sie Alisa abgenommen hatte, und versuchte ihr Glück. Von den Schlüsseln passte keiner. Also musste sie sich an das Einbrecherwerkzeug halten. Sie schob zwei der gebogenen Eisennadeln ins Schloss und drehte sie vorsichtig, aber sie rutschten immer wieder ab. Die Tür blieb zu.
    Was machst du denn so lange? Das kann doch nicht so schwer sein, wenn Alisa das hinbekommt.
    »Stör mich jetzt nicht! Alisa hat schließlich mehr Übung damit.«
    Ja, mit ihren fünfzehn Jahren ist sie ja auch schon viel erfahrener, spottete der Werwolf.
    »Was Einbrüche und Schlösserknacken betrifft, vermutlich schon«, gab Ivy gereizt zurück.
    Dann hast du deine einhundert Jahre mit Dingen verschwendet, die dir nicht helfen, neckte der Wolf, doch Ivy war nicht zu Scherzen aufgelegt.
    »Ich werde jetzt nicht wegen dieser Gittertür umkehren«, fauchte sie und startete einen neuen Versuch.
    »Verflucht!«, rief sie, als die Haken wieder abglitten. »So geht das nicht.« Ivy wich einen Schritt zurück und trat dann so heftig gegen das Schloss, dass es zerbrach. Die Gittertür sprang auf und schlug gegen die Wand, dass das Dröhnen sich durch alle Gänge ausbreitete.
    »Du kannst dir jeden Kommentar sparen«, warnte sie den Wolf.
    Wollte ich dazu denn etwas sagen?
    »Ja, und ich will es nicht hören. Komm jetzt. Sie werden uns bereits suchen. Ich muss ihn rechtzeitig finden.«
    Ivy betrat den Gang, dem sie unter Joannes Führung schon einmal gefolgt war. So weit, so gut, doch wo konnte sein Versteck sein? Unter der Oper, so viel war klar. Und die Oper musste noch ein Stück weiter östlich von hier liegen. Ivy sandte den Ratten das Bild eines großen Gebäudes mit vielen Menschen, mit Musik und Gesang, und
sofort machten sie sich auf den Weg, nicht jedoch ohne Ivys Vorstellung

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