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Die Erben der Nacht - Pyras

Die Erben der Nacht - Pyras

Titel: Die Erben der Nacht - Pyras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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schlecht.
    Später, als sie die Höhle unter dem Val de Grâce erreicht hatten und sich die Vampire in ihre Särge zurückzuziehen begannen, gesellte sich Alisa noch einmal zu ihr und setzte sich auf die Kante von Ivys Sarg.
    »Du willst ihn wiedersehen, nicht wahr?«
    Ivy musste nicht fragen, wen sie meinte. »Ja, er ist zwar ein Mensch, doch ein so außergewöhnlicher, dass ich meine Bekanntschaft mit ihm vertiefen will.«
    »Dann frage ihn, ob er sich mit uns treffen will. Vielleicht wäre es eine gute Idee, wenn wir mit den anderen Erben eine Nacht der Kultur
in der Oper begingen. Er betrachtet zwar das ganze Opernhaus als sein Revier, aber dort zwischen den Opernbesuchern ist es doch so etwas wie neutraler Boden. Das dürfte ihn weniger verschrecken.«
    Ivy nickte. »Ja, ich denke, du hast recht. Der Vorschlag ist gut. Du bist sehr einfühlsam.«
    Alisa wehrte ab. »Eher neugierig und daher findig, wie ich mein Ziel erreichen kann. Doch nun bin ich erst einmal gespannt, was wir im Jardin des Plantes entdecken.« Ein entschlossener Ausdruck trat in ihre Miene. »Denn ich werde auf keinen Fall zurückbleiben, wenn sich die Pyras auf die Suche machen. Und wenn wir ihnen heimlich folgen müssen.«
    »Du kannst dir meiner Unterstützung sicher sein. Auch ich möchte dringend aus erster Hand erfahren, ob Eriks Hinweis uns weiterhilft.«
    Mit einem Lächeln wünschte sie Alisa eine gute Ruhe und ein sicheres Erwachen. Dann klappte Ivy den Deckel zu und Seymour nahm auf dem polierten Holz seinen Platz ein.

    »Nun? Gefällt es dir?« Obwohl Carmelo sich sichtlich bemühte, gleichmütig und freundlich zu wirken, spürte Latona seine unterdrückte Unruhe. Er fühlte sich unwohl und sah sich immer wieder um, wenn er glaubte, seine Nichte sei abgelenkt, doch sie beobachtete ihn genau, auch wenn ihre Aufmerksamkeit auf Elefanten, Tiger, Affen oder Löwen gerichtet schien.
    Was war mit ihm los? Litt er Schmerzen oder dachte er voll Unbehagen an seinen nächsten Besuch im Hôpital Cochin? Wenn er ihr doch nur Vertrauen schenken und sie einweihen würde. Dann könnten sie offen darüber reden, und vielleicht würde es ihr gelingen, ihm zu helfen, und wenn sie ihm nur ein wenig Trost gab. Warum war er so stur? Unmut stieg in ihr auf, während sie vor einem Bassin im Reptilienhaus stand und auf die Krokodile hinabsah, die aus Ägypten stammten, wie ein Schild am Zaun verriet. Hielt er sie für so zimperlich? Er, der sie als Lockvogel benutzt hatte, um Vampire zu töten, mit dem Schwert ihr Herz zu durchbohren und ihnen dann den Kopf abzuschlagen? Latona war, als könnte sie wieder das klebrige Blut an
ihren Händen spüren. Zorn überschwemmte sie wie eine Welle. Dafür war sie gut gewesen. Nun aber durfte plötzlich ihr jungfräuliches Zartgefühl nicht verletzt werden!
    »Das sind schon hässliche Biester und voll gefährlicher Hinterlist«, sagte ihr Onkel, der ihre finstere Miene offensichtlich auf die Krokodile bezog.
    »Ja, so ist es wohl«, antwortete Latona abwehrend, verließ das Reptilienhaus und ging auf die Volieren mit den Papageien und Geiern zu. Latona warf einen verstohlenen Blick in die Richtung des unscheinbaren Hauses mit den nur für das Personal bestimmten Laborräumen. Sie spürte, dass die Nervosität ihres Onkels wuchs. Was konnte es hier geben, das ihn so aus dem Gleichgewicht brachte?
    »Wenn du noch mehr große Vögel sehen willst, dann lass uns in die riesige Voliere mit den Kranichen und Pelikanen gehen.«
    Diese befand sich ein ganzes Stück entfernt. Wollte er sie von hier weglocken? Aber warum? Latona sah sich aufmerksam um. Das Gebäude schien nichts Aufregendes zu beherbergen. Es war schlicht, ja fast abweisend - oder wehrhaft? Statt die bunten Aras aus Südamerika hinter sich zu bewundern, ging Latona weiter auf das Gebäude zu.
    »Hier gibt es nichts mehr!«, rief Carmelo eindringlich und lief ihr nach. »Der Zoo ist hier zu Ende. Die Pforte neben dem Haus führt auf die Straße hinaus.«
    Latona drückte die Klinke der Tür. Sie war verschlossen.
    »Komm jetzt! Das ist verboten. Siehst du nicht die Schilder?«, drängte er. Sie sah ihn einen hektischen Blick auf das Gebäude werfen. Eine zweite Tür, ein Stück von ihnen entfernt, öffnete sich unvermittelt und entließ einen Mann, dessen Kleider und Körperbau von einer gut dotierten Stellung sprachen. Er ließ den Blick schweifen, bis er an Carmelo hängen blieb. Ein Lächeln zeigte, dass er ihn erkannte. Latona hatte das Gefühl, ihr Onkel

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