Die Erben der Nacht - Pyras
verlegen.«
»Das würde ihm nicht bekommen«, sagte Franz Leopold.
Alisa schauderte. Sie stellte sich vor, wie der Vampir in einen Käfig verfrachtet wurde, um dann - vor den Augen der staunenden Menge - beim ersten Sonnenstrahl qualvoll zu verbrennen.
»Meinst du, sie wissen, dass er ein Vampir ist, und wollen seine Vernichtung als Sensation öffentlich zelebrieren?«
Franz Leopold hob abwehrend die Hände. »Noch wissen wir nicht
einmal, ob sie ihn wirklich hierhergebracht haben. Die Annahme beruht allein auf dem Hinweis, den Ivy von dem Phantom erhalten hat.«
Alisa sah sich noch einmal um. »Aber das würde alles passen.«
Franz Leopold nickte und legte dann den Zeigefinger an die Lippen. »Hörst du das? Es klingt, als hätten sie etwas Spannendes gefunden.«
Ohne darauf zu achten, ob sie entdeckt würden, liefen sie den Gang entlang und eine Treppe hinunter den Stimmen nach. Franz Leopold hetzte so durch den Korridor, dass Alisa kaum Schritt halten konnte. Sie mussten flink sein, wollten sie sichergehen, dass sie etwas erfuhren, ehe man sie wieder nach draußen verfrachtete.
Abrupt hielt Franz Leopold vor einer offenen Tür an und Alisa schlitterte fast in ihn hinein. »War er hier?«, fragte sie atemlos.
Franz Leopold hob die Schultern. »Keine Ahnung, an Pyrasgeruch fehlt es jedenfalls nicht.«
Neugierig drängten sich die beiden in den Raum, in dem sich bereits Seigneur Lucien, Sébastien, Gaston, Jolanda, Claude und einige Pyras aufhielten, deren Namen sie nicht kannten. Sie alle hatten den Blick abgewandt und starrten auf einen riesigen Käfig, der mit seinen starken Gittern den gesamten hinteren Teil des Raumes einnahm. Jolanda und Gaston untersuchten die Instrumente, die auf einem Rollwagen lagen. Sie beugten sich dicht darüber und schnupperten geräuschvoll. Seigneur Lucien machte sich ungestüm an dem Gitter zu schaffen, konnte es aber erst öffnen, als Sébastien den Mechanismus auslöste. Der Clanführer war sichtlich so erregt, dass er die Stäbe lieber gleich aus der Wand gerissen hätte. Sébastien, der von seiner Statur eigentlich wilder und unbeherrschter wirkte, legte seinem Clanführer beruhigend die Hand auf den Arm. Auf Alisa und Franz Leopold achtete niemand, was den beiden nur recht sein konnte. Langsam traten sie näher. Fragend sahen sie sich an, doch die Antwort ließ nicht lange auf sich warten.
»Sie haben ihn hier gefangen gehalten!«, knirschte Lucien. »Sein Blut klebt an diesen Fesseln und ist über den Boden geflossen.«
»An diesen Gefäßen und Instrumenten ist sein Geruch auch überall«,
bestätigte Gaston. Er hielt ein kleines Fläschchen in die Höhe, in der träge eine dunkle Flüssigkeit schwappte. »Selbst wenn ich den Korken nicht entferne, würde ich schwören, das ist sein Blut. Und in dem anderen Behältnis sind Hautstücke und Haare von ihm.« Er zeigte den Vampiren die beiden Fläschchen. Sie knurrten und zeigten die Reißzähne.
»Diese Menschen haben es gewagt, meinen Bruder zu foltern«, brüllte Seigneur Lucien.
»Wenn sie ihm Schmerzen zugefügt haben, dann sicher nicht mit Absicht«, widersprach Gaston.
»Sie wollten ihm Informationen entlocken, doch ich bin mir sicher, sie sind damit gescheitert«, vermutete Jolanda.
Gaston schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube, sie haben ihre Neugier befriedigt und ihn einer - wie sie es nennen - wissenschaftlichen Untersuchung unterzogen.«
»Es ist mir egal, wie sie es nennen«, schrie Lucien erbost. »Sie haben meinem Bruder Schaden zugefügt und das werden sie büßen!«
»Das könnte sehr hässlich werden«, raunte Franz Leopold Alisa zu, die bang nickte. Nicht dass diese Menschen ihr besonders leidtaten, aber es konnte ungeahnte Folgen haben, wenn die Pyras zu einem Rachefeldzug bliesen. Wenn sie nicht länger nur die verlorenen und ausgestoßenen Menschen töteten, die sie in der Unterwelt aufspürten, sondern angesehene Mitglieder der Pariser Gesellschaft, wie den Direktor des Zoos und die Wissenschaftler, die mit ihm zusammengearbeitet hatten.
»Ich hoffe, sie brechen nicht gleich auf, sondern beruhigen sich erst einmal und kommen wieder zur Vernunft, ehe sie diese folgenschwere Entscheidung treffen«, flüsterte Alisa.
»Vernunft? Die Pyras? Sieh sie dir an. Ich wage zu bezweifeln, dass ihnen auch nur das Wort etwas sagt.«
Alisa holte tief Luft, dann rief sie über den Tumult hinweg: »Sollten wir uns nicht erst einmal fragen, wo Seigneur Thibaut jetzt ist? Die Menschen haben ihn von
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