Die Erben der Nacht - Pyras
Sicherheit bietet.«
Bram bezweifelte, dass der Direktor des Opernhauses das genauso sah.
»Und was haben sie dann in den Labyrinthen unter der Oper gefangen?«, wollte er wissen.
Nadirs Miene wurde nachdenklich. »Ja, das habe ich mich auch gefragt. Zuerst dachte ich, sie hätten das Gerücht gestreut, um einen Erfolg vorzutäuschen. Man kann dann später getrost behaupten, er sei wieder entwischt, doch Erik hat mir versichert, dass etwas anderes zappelnd in ihrem Netz hing.« Er hob den Blick und sah Bram forschend an. »Nun, was glauben Sie, könnte das gewesen sein?«
Es war der Tonfall, der Bram sagen ließ: »Ein Vampir?«
Nadir nickte. »Ja, ein Vampir. Und so wie es aussieht, halten sie
ihn noch immer irgendwo gefangen, um ihn zu studieren. Das ist zumindest Eriks Meinung. Man muss seinen Feind kennen, will man ihn vernichten.«
Bram nickte nur. Der Perser wartete einige Augenblicke, als Bram jedoch weiterschwieg, fuhr er fort: »Ich appelliere an Ihren Sinn für das Gute und Gerechte. Vergessen Sie das Phantom und richten Sie Ihre Suche auf den Vampir. Ist es nicht das, was Sie für Ihre Forschungen brauchen? Und dann schreiben Sie Ihr Buch, Erik aber lassen Sie in der Gnade der Finsternis, die er selbst gewählt hat.«
In der nächsten Nacht blieben die Menschen verschwunden. Und auch eine Nacht später war keine Patrouille mehr zu entdecken. Die Ruhe kehrte allerdings nicht in den Untergrund von Paris zurück. Arbeitertrupps stiegen in die Abwasserkanäle und alten Steinbrüche im Süden der Stadt herab und begannen, Rohre zu verlegen und seltsame Maschinen aufzubauen. Die Männer waren darauf bedacht, ihre Arbeitszeiten peinlich genau einzuhalten und vor Sonnenuntergang zu ihren Familien zurückzukehren, sodass es zu keiner Begegnung mit den erwachenden Vampiren kam. Eine Gruppe von Pyras betrachtete am Abend das Werk. Zum Glück hatten die Gastgeber dieses Mal nichts dagegen, dass sich ein paar der Erben dem Erkundungsgang anschlossen, da die unterirdische Baustelle nicht weit vom Val de Grâce gelegen war.
»Was das wohl werden soll?«, fragte Ivy. »Die Rohre sehen anders aus als die Trinkwasserleitungen, die wir entlang der Decke der neueren Abwasserkanäle gesehen haben. Und vor allem, was ist das für eine Maschine?« Sie betrachtete sie neugierig. Luciano war genauso ratlos und sah Alisa fragend an.
»Ja, das ist ein Rätsel, das einer Vamalia würdig ist, als Kennerin menschlicher Erfindungen«, spottete Franz Leopold. »Nun, lass hören, was haben die Menschen sich wieder für ein Teufelszeug ausgedacht?«
Alisa ließ sich mit ihrer Antwort Zeit. Sie umrundete die Maschine ein paar Mal, betrachtete sich die Anschlüsse und Rohre und drehte
sich dann zu den wartenden Freunden um. »In diesen Rohren ist kein Wasser, sondern Luft.«
»Sehr sinnvoll«, meinte Luciano und lachte.
»Ja, und zwar keine normale Luft, wie sie uns hier umgibt, sondern Luft, die unter einem höheren Druck steht, also durch diese Pumpen zusammengepresst wurde. Man nennt sie Druckluft.«
»Du willst uns auf den Arm nehmen. Zusammengepresste Luft? Wozu sollte die denn dienen? Meinst du, die Pariser haben mit ihren qualmenden Fabrikschloten die Luft so verpestet wie das Seinewasser mit ihren Abfällen, dass sie sich nicht nur frisches Wasser über kilometerlange Leitungen heranschaffen, sondern auch noch reine Luft?«
Alisa hob die Schultern. »Klingt zwar verrückt, doch was tun die Menschen nicht alles.« Sie sah Joanne an, die gerade zu ihnen trat. »Weißt du, wozu sie diese Druckluft brauchen?«
Joanne grinste. »Jedenfalls nicht, weil sie sie einatmen wollen, obwohl das in manchen Stadtvierteln gar keine so schlechte Idee wäre. Da kann man froh sein, wenn man als Vampir das Atmen einfach lassen kann. Nein, diese Druckluft dient dazu, ihnen die Zeit zu sagen.«
»Das verstehe ich nicht. Kannst du uns das erklären?«, bat Alisa.
»Auf der Exposition Universelle , der Weltausstellung vor zwei Jahren, wurde ein Mann namens Victor Popp mit einer Silbermedaille geehrt, ein Ingenieur aus dem Land der Dracas, der ein Verfahren vorgestellt hat, die Zeit aller öffentlichen Uhren zu vereinheitlichen.« Die jungen Vampire starrten sie immer noch fragend an.
»Die Druckluft stellt die Uhren - wie, weiß ich nicht. Jedenfalls fingen die Menschen sofort an, solche Rohre zu verlegen und vierzehn Uhren auf verschiedenen öffentlichen Plätzen miteinander zu verbinden. Anscheinend war die Erfindung gut, denn der Bau
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