Die Erben der Nacht - Pyras
der Röhren schritt rasch fort und viele Handwerksbetriebe und Fabriken schlossen sich an. Ich glaube allerdings nicht, um Uhren zu stellen. Sie nutzen sie für Maschinen, die ihnen die Arbeit erleichtern. In einigen großen Hotels betreiben sie Aufzüge damit. Nun hat sich wohl auch das Krankenhaus einen Anschluss legen lassen.« Sie zeigte zur Decke hinauf. »Wir sind hier unter dem Hôpital Cochin.«
»Dann hat dieser Bau nichts mit den Patrouillen zu tun, die die Särge verbrannt haben«, vermutete Franz Leopold.
Joanne hob die Schultern. »Offensichtlich nicht. Seigneur Lucien und Sébastien machen sich nur Sorgen, weil die Menschen die Verbindungsleitung durch einen Gang direkt hinter unseren Höhlen verlegen und unseren Särgen so verdammt nahe kommen. Die Altehrwürdigen und einige der erfahrenen Servienten arbeiten mit Hochdruck daran, die magische Abwehr an allen Zugängen zu unseren Kavernen zu verstärken, damit die Menschen nicht versehentlich auf die Gemächer stoßen.«
»Und das funktioniert?«, fragte Luciano skeptisch.
»Hat es bei der Domus Aurea nicht auch funktioniert?«, gab Joanne etwas schnippisch zurück.
»Ja, schon«, meinte Luciano gedehnt. »Dieser Schutz wurde aber auch von den Nosferas errichtet.«
»Ja und? Willst du damit sagen, die Pyras seien zu so etwas nicht in der Lage?«
»Ich denke nur an die ganzen Särge, die in den vergangenen Nächten verbrannt wurden.«
»Diese Kavernen waren alle ungeschützt«, erinnerte Joanne. »Es ist nicht leicht, einen solchen Schutzzauber aufrechtzuerhalten, daher werden nur die Hauptkavernen damit abgeschottet. Es steht jedem frei zu wählen, ob er seinen Sarg innerhalb dieses Schutzfeldes aufstellen will oder lieber für sich ist und darauf verzichtet.«
»Dieser Vorfall hat wohl einige Einzelgänger bekehrt und sie in die Arme der Familie zurückgetrieben«, meinte Franz Leopold trocken.
»Wir sollten zurückgehen und sehen, ob wir helfen können«, schlug Ivy vor.
»Helfen? Bei der Errichtung der magischen Abwehr?«, vergewisserte sich Luciano.
»Ja, daran dachte ich«, bestätigte Ivy. Luciano zog eine Grimasse.
»Was schaust du so drein?«, fragte Joanne. »Kannst du oder willst du uns nicht helfen? Hast du nicht gerade die Fähigkeiten der Nosferas auf diesem Gebiet herausgestellt?«
»Ich würde ja schon helfen, aber ich kann es nicht - noch nicht«,
gab er kleinlaut zu. »Dafür sind bei uns die Altehrwürdigen zuständig.«
Franz Leopold öffnete den Mund, doch Alisa kam ihm zuvor. »Ich kann leider auch nicht helfen. Ich habe keine Ahnung, was man dabei machen muss.« Alle Blicke wanderten zu Ivy.
»Also, wie gesagt, ich könnte schon helfen.«
Joanne riss die Augen auf. »Du könntest?«
Die Freunde wechselten Blicke. Ivy hatte sich in eine schwierige Lage manövriert. Außer ihnen und Malcolm wusste niemand, dass Ivy keine Erbin der Lycana, sondern eine Unreine war, die bereits ein Jahrhundert Erfahrung mitbrachte. Und so sollte es auch bleiben. Seymour tat seinen Unmut durch leises Knurren kund.
»Weißt du, bei uns ist das eine Kunst, die früh geübt wird.« Sie warf ihren Freunden einen entschuldigenden Blick für ihre Lüge zu. Nun ja, eine richtige Lüge musste man es ja nicht nennen. Es war nicht mehr als eine Beugung der Wahrheit, wie sie Alisa später versicherte.
»Als ob es darauf ankommt«, sagte die Vamalia. »Du musst dein Geheimnis wahren, willst du nicht riskieren, in Schimpf und Schande von der Akademie gejagt zu werden.«
»Ich weiß.« Ivy seufzte bedrückt. Seymour winselte und drückte tröstend seine Schnauze in ihre Hand.
»Ach, wie schön könnte es sein, wenn in allen Familien Reine und Unreine gleich viel wert wären und ich dieses Versteckspiel nicht nötig hätte, um zu ihnen zu reisen und von ihnen zu lernen.«
Alisa nickte. »Das können leider keine Versammlung und kein Vertrag der Welt erreichen. Zumindest nicht so schnell. Und bevor wir nicht bei den Dracas waren, solltest du dein Geheimnis auf keinen Fall lüften! Die Dracas kennen kein Pardon, wenn es um die althergebrachte Rangordnung geht. Schau dir nur an, wie Anna Christina und Karl Philipp ihre Schatten behandeln. Es ist eine Schande, aber wir können nichts dagegen tun. Selbst Franz Leopold ist nicht gerade freundlich oder rücksichtsvoll Matthias gegenüber.« Ivy seufzte noch einmal. »Was bereitet er ihm Probleme und Sorgen, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, wie Matthias seinem Auftrag, ihn zu
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