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Die Erben der Nacht - Pyras

Die Erben der Nacht - Pyras

Titel: Die Erben der Nacht - Pyras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Vampirmagie? Latona wusste es nicht. Irgendwo in einem verborgenen Winkel ihres Geistes erkannte sie, dass sie in diesem Moment bereit gewesen wäre, für ihn zu sterben. Sich ihm hinzugeben und dann zu vergehen.
    Ein winziger Stich. Sie spürte ihn kaum. Latona machte sich keine Gedanken darüber, obwohl sie fühlte, wie seine Küsse heftiger wurden. Sein Körper begann zu beben und schien wie eine Feder gespannt.
    Latona konnte und wollte nicht aufhören, ihn zu küssen. Es war, als habe ihr Leben auf diesen Augenblick zugestrebt. Nun war es an der Zeit, die Erfüllung auszukosten. Und sie würde ewig währen.
    Latona schmeckte ihn. Und sie schmeckte noch etwas anderes. Blut? Ihr eigenes Blut! Er hatte sie an der Lippe verletzt. Sie fühlte es, ohne dass es sie störte. Es schmerzte nicht. Seine Hände in ihrem Rücken dagegen drohten, sie zu zerbrechen, so sehr hielt er sie umschlungen. Es war, als trete ein Teil ihres Geistes neben sie und beobachte die Veränderung, die mit Malcolm vor sich ging. Was geschah mit ihm? Er kam ihr plötzlich vor wie ein Raubtier, das nicht zu bändigen war, und doch spürte sie keine Angst. Nur Verlangen, sich von Malcolm in die Finsternis ziehen zu lassen.
    Er löste seine Lippen von ihren. Die Lippen waren blutrot - benetzt von ihrem Blut? Auch seine Augen blitzten rot, sein Blick war wild und unbeherrscht. Sie hätte sich vor ihm fürchten müssen, stattdessen bot sie ihm ihren Hals. Sie wusste, was er wollte. Ihr kam nicht einmal der Gedanke, es ihm zu verweigern und ihr Leben zu
retten. Warum auch? Sie hatte ihn gefunden und nun gehörten sie zusammen.
    »Nein! Es ist genug!« Die sanfte und doch eindringliche Stimme irritierte Latona. Sie hatte hier nichts zu suchen. Dieser Augenblick gehörte ihr und Malcolm allein. Sie wartete auf den erlösenden letzten Kuss, doch er blieb aus. Der Druck in ihrem Rücken ließ nach. Dann lösten sich seine Hände von ihr und fielen herab. Sie hätte schreien mögen vor Verzweiflung.
    Wie in einer Trance gefangen, erhob sich Malcolm. Er schwankte. Sein Gesicht drückte Verwirrung aus und Qual. Oder spiegelte sich in seinen Augen nur ihr eigener Schmerz? Undeutlich nahm Latona das Mädchen an seiner Seite wahr. Eine Vampirin, das wusste sie, zierlich, mit silbernem Haar, deren Alter sie nicht schätzen konnte. Sie hatte sie schon einmal gesehen. War da nicht ein weißer Wolf bei ihr gewesen?
    Die Fremde achtete nicht auf Latona. Sie fixierte Malcolm aus türkisfarbenen Augen und schien einen Bann über ihn zu legen. So kam es Latona jedenfalls vor.
    »Beruhige dich«, sagte die Vampirin mit erstaunlich tiefer Stimme. Sie warf Latona einen raschen Blick zu und hielt dann wieder Malcolm fest. »Noch ist nichts Schlimmes geschehen.« Sie zog ein Taschentuch hervor und reichte es Malcolm. »Die Pause ist vorüber. Latona wird sich nun verabschieden und mit ihrem Begleiter zu ihrem Platz zurückkehren.«
    Latona war empört. Was erdreistete sich die Silberhaarige, ihr Befehle zu erteilen? Und doch konnte sie nicht anders, als sich ebenfalls zu erheben. Auch ihr wurde ein Tuch gereicht, und sie erhielt den Rat, sich das Blut von den Lippen zu wischen.
    »Dein Begleiter wartet. Geh nun!«
    Mit unsicheren Schritten tappte Latona auf Bram Stoker zu, den sie erst jetzt im Hintergrund der Loge entdeckte. Er sah sehr besorgt aus. Was sollte das? Ihr ging es gut! Sie war glücklich. Sie hatte Malcolm endlich gefunden. Und nun sollte sie sich wieder von ihm trennen? Würde das das Ende sein?
    Sie riss sich von Bram Stokers Arm los. »Malcolm«, rief sie mit
schriller Stimme. »Wir sehen uns wieder! Nicht wahr? Versprich es!«
    Malcolm wollte zu ihr, doch die Vampirin vertrat ihm den Weg. Sie war so klein und schwach. Warum schob er sie nicht einfach zur Seite? Nein, er blieb vor ihr stehen, sagte aber trotzig:
    »Ja, wir sehen uns wieder. Verlass dich darauf. Aber nun geh. Ivy hat recht. Für den Augenblick müssen wir Abschied nehmen.«
    Latona ließ zu, dass Bram Stoker ihren Arm nahm und sie hinausbegleitete. Er führte sie die Treppe hinunter, die im Schein der unzähligen Lüster so prächtig war, doch Latona sah sie nicht mehr. Sie merkte kaum, dass sie in den Zuschauerraum zurückkehrten und ihre Plätze einnahmen. Der Applaus war nur ein fernes Rauschen, das in die Musik des zweiten Aktes überging. Der Vorhang hob sich und die Sänger traten auf. Das Orchester spielte, die Darsteller sangen. Es war nur irgendein Geräusch in ihren Ohren. Obwohl

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