Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erben der Nacht - Pyras

Die Erben der Nacht - Pyras

Titel: Die Erben der Nacht - Pyras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
Vom Netzwerk:
ich, dass das Schicksal mir mitteilt, welche Fäden es zu spinnen gedenkt? Ich vermute eher, du hast versucht, dem Schicksal ein wenig die Hand zu führen.«
    »Wie bitte?« Bram Stoker blinzelte sie verwirrt an. Er wusste offensichtlich nicht, worauf sie anspielte, und zwang Ivy, deutlicher zu werden.
    »Dachtest du, du könntest uns aufspüren? Hast du dich deshalb mit der Nichte des römischen Vampirjägers Carmelo zusammengetan? Das ist ein gefährliches Spiel, bei dem nur allzu leicht viel Leid entstehen kann - auf beiden Seiten! Hast du das nicht bedacht?«
    Bram Stoker blinzelte, als sei er plötzlich aus einem Traum erwacht. »Latona? Heilige Jungfrau, jetzt wird mir so manches klar. Der kranke Onkel, dessen Behandlung im Hospital stets nachts erfolgt. Ich hatte ja keine Ahnung. Weiß Latona überhaupt davon? Das kann ich mir nicht vorstellen.«
    »Ich muss deine Illusionen leider zerstören. Sie ist nicht das unschuldige Mädchen, das du gern in ihr sehen möchtest. Sie hat in Rom Vampire gejagt und vernichtet. Das Blut unserer Art klebt an ihren Händen, wenn auch ihr Onkel sicher die treibende Kraft dahinter ist.« Bram Stoker wirkte geschockt.
    »Wo ist sie denn, deine Jägerin?«, fragte Ivy ein wenig schärfer.
    »Ich habe sie in der Loge zurückgelassen, aber ich schwöre dir, nichts lag ihr ferner, als einen Vampir zu vernichten. Ich hatte eher den Eindruck, sie sei es, die in Gefahr schwebt«, fügte er sehr leise hinzu.
    Nun lächelte Ivy wieder. »Ich weiß, was du meinst. Wir Vampire haben ein Talent, die kühle Vernunft der Menschen zu verwirren und sie unwiderstehlich anzuziehen.« Ein Hauch von Spott schwang in ihrer Stimme, Bram Stoker dagegen nickte ernst.
    »Ja, für uns ist es schwer, uns dagegen zu wehren. Und selbst wenn wir es schaffen, dem Bann zu entrinnen, vergessen können wir nie.«
    »Wenn wir es zulassen, dass ihr euch erinnert«, korrigierte Ivy.
    Bram Stoker wirkte ein wenig erschrocken. »Du könntest dafür sorgen, dass ich dich vergesse? Mich nicht mehr an unsere Begegnungen erinnere?«

    Ivy nickte. »Das hätte ich tun sollen. Es ist nicht gut für uns, wenn sich die Menschen an uns erinnern.«
    Bram Stoker trat einen Schritt näher. Das Eis in der Schale schmolz unbeachtet. »Warum hast du mir meine Erinnerung gelassen?«
    »Eine Sentimentalität - dumm und gefährlich?«, überlegte Ivy laut.
    »Ich würde dir nie schaden! Euch allen nicht!«, betonte er.
    »Das konnte ich in deinem Geist lesen, und dennoch könnte der Tag kommen, an dem ich diesen Leichtsinn bereue.«
    »Ich schwöre dir, das wird niemals geschehen!«, rief er voller Inbrunst.
    »Schwöre nicht. Ihr Menschen seid so leichtfertig darin, Schwüre auszusprechen, und brecht sie mit ebenso leichtem Sinn. Für uns Vampire ist es eine Frage von Überleben oder Vernichtung. Was passiert, wenn das Schicksal dich vor die Entscheidung stellt, einen Menschen, der dir nahesteht, zu retten und dafür einen Vampir zu vernichten?«
    Sie sahen einander an und hatten beide den gleichen Gedanken. »Ich muss nach Latona sehen«, sagte Bram. Er forderte Ivy nicht auf, ihn zu begleiten, doch sie hakte sich bei ihm unter und folgte ihm.

    Latona saß da, das Gesicht noch immer in den Handflächen vergraben. Die Tränen waren versiegt. Die Verzweiflung war so tief, dass Tränen keine Erleichterung mehr verschaffen konnten. Ein wenig Verwunderung mischte sich in ihren Schmerz. Warum tat es so weh? War ihr die Lage nach Rom nicht viel aussichtsloser erschienen? Vielleicht war es einfacher, je unerreichbarer das Ziel ihrer Sehnsucht schien. Es vor Augen zu sehen und ihm dennoch nicht näherkommen zu können, war grausam. Ihre Hand tastete nach der roten Maske. Was sollte sie nun anfangen? Es kam ihr alles so sinnlos vor.
    Plötzlich erstarrte Latona. Sie war nicht mehr allein in der Loge. Die Härchen auf ihrer Haut schienen wieder ein Eigenleben zu führen. Latona wollte sich umdrehen, konnte sich aber nicht rühren. Er war ganz nah!
    »Bist du gekommen, um mir die Maske zurückzugeben?« Eine
weiße, feingliedrige Hand schob sich in ihr Blickfeld und bewegte sich auf die geöffnete Tasche in ihrem Schoß zu, in der zuoberst die Maske lag. Seine Finger strichen erst über den roten Stoff und dann über ihre Hand. Latona zuckte zusammen. Seine andere Hand legte sich auf ihre Schulter.
    »Warum bist du gekommen? Um mir zu sagen, dass ich mich von dir fernhalten soll? Warum hast du die Maske dann mitgenommen?«
    Latona fuhr herum

Weitere Kostenlose Bücher