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Die Erben der Nacht - Pyras

Die Erben der Nacht - Pyras

Titel: Die Erben der Nacht - Pyras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Halle heraufzuholen. Alisa beugte sich zwar tief über ihr Buch, spitzte aber die Ohren, um kein Wort zu verpassen.

    »Warum sollten wir das tun?«, widersprach Anna Christina.
    »Ich habe noch nie neben einem Unreinen geruht«, protestierte Karl Philipp.
    »Das ist unser einfach unwürdig«, bestätigte Marie Luise.
    »Tut es einfach. Oder findet ihr es gut, dass sie damit durchkommen, sich mit ihrer kleinen Schwäche vor ihren Aufgaben zu drücken? Sie ziehen sich die ganze Nacht in ihre Särge zurück und fragen nicht einmal nach euren Wünschen? Legt sie neben euch, dann habt ihr sie im Blick und seht sofort, wann sie wieder stark genug sind, Aufträge zu übernehmen.«
    Anna Christina nickte nachdenklich. »Ein guter Gedanke. Kommt, wir holen diese Faulenzer hierher, wo wir sie unter unserer Kontrolle haben.«
    Karl Philipp erhob sich. »Du trägst die Särge«, bestimmte seine Cousine, und er widersprach ihr nicht. Franz Leopold kehrte zu seiner Arbeit zurück.
    »Das ist ja unglaublich!«, stieß Alisa angewidert aus.
    Ivy nickte, lächelte aber dabei. »Ja, er hat sofort erkannt, wie er sie dazu bringt, das zu tun, was er fordert.«
    »Verflucht! Musst du ihn immer verteidigen?«

    »Wer ist da?« Der Vampir blinzelte ins Licht und hob dann in sichtlichem Schmerz die Hand vor die Augen. »Ich kenne dich«, krächzte er und schnüffelte vernehmlich. Latona starrte ihn entsetzt an. Dann erst reagierte sie und drehte den Docht der Lampe herunter, bis sie selbst kaum noch etwas erkennen konnte. Er sah noch viel schlechter aus als in der Nacht, in der sie ihn das erste Mal gesehen hatte. Das verfilzte Haar war ihm an einigen Stellen in dicken Büscheln ausgegangen. Seine Haut war grau und rissig. An manchen Stellen hatten sich schwärzliche Wunden gebildet.
    »Ich heiße Latona und war vor ein paar Nächten schon einmal hier.«
    »Und du hast mich nicht befreit«, ergänzte der Vampir und nickte schwankend mit dem Kopf. Er richtete sich ein wenig auf und tappte
zwei Schritte auf sie zu, strauchelte dann aber und fiel auf die Knie. Er schlug so hart auf, dass Latona ein Aufschrei entfuhr und sie, ohne zu überlegen, vorstürzte, ihn aufzufangen. Im letzten Moment bemerkte sie, was sie da tat, und ihre Hand zuckte zurück, ehe sie sie zwischen die Gitterstäbe steckte. Der Vampir hob langsam den Kopf und sah sie an. Sein Gesicht war nun das eines Totenschädels. Die Augen lagen so tief, dass sie nur das rote Glühen sah. Er presste sein Gesicht gegen das Gitter und verzog die Lippen, dass sie den dunklen Kiefer mit den spitzen Zähnen sehen konnte. Das Zahnfleisch hatte sich fast völlig zurückgebildet. Bei einem Menschen würden nun bald die ersten Zähne ausfallen. Wie das bei einem Vampir war, wusste Latona nicht. Sie stieß ein nervöses Lachen aus und rutschte noch ein Stück weiter von den Gitterstangen weg, dass er sie nicht erreichen konnte, selbst wenn er unvermittelt den Arm durch das Gitter strecken sollte.
    »Ich sehe in deinen Augen, wie schlecht es um mich steht, und dennoch habe ich mich viel länger gehalten als die drei réprouvés , die ihnen in die Hände gefallen sind.«
    »Ausgestoßene? Was für Ausgestoßene? Menschen?«, wagte Latona zu fragen.
    »Nein, Vampire, Pyras, die es vorgezogen haben, sich von der Familie zu trennen und ihre Särge irgendwo außerhalb aufzustellen. Das war nun der Preis. Eine Patrouille hat sie aufgespürt, während sie noch in ihrer Todesstarre verharrten, und sie hierher ins Spital gebracht. Ich habe die drei gesehen.« Der Vampir schnaubte verächtlich. »Ihr Dasein als réprouvés ist ihnen nicht bekommen. Selbst vor den Versuchen der Menschen waren sie nur noch Schatten ihrer selbst und sind schon bald unter den Experimenten vergangen. Einer nach dem anderen ist zu Staub zerfallen. Nun bin nur noch ich da, doch auch bei mir dauert es jetzt nicht mehr lange.« Er schwieg und richtete dann seinen Blick wieder auf Latona.
    »Warum bist du zurückgekommen? Um zu sehen, wie ich Nacht für Nacht weniger werde? Um dich an meinem Leiden zu ergötzen? Oder bist du hier, um mich zu erlösen?«, fügte er kaum hörbar hinzu. »Zeige mir die Klinge, die du unter deinem Umhang trägst Menschenmädchen.
« Wieder witterte er in ihre Richtung und fuhr dann zurück. Die Bewegung war so heftig, dass Latona erneut erschrak. Der Vampir fiel auf den Rücken, zappelte einen Augenblick wie ein armseliger Käfer und kroch dann bis in die gegenüberliegende Ecke seines

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