Die Erben der Nacht - Pyras
erfolgreichen Ende führen. Es sieht ja alles sehr vielversprechend aus. Bei den anderen dreien stellte sich das erhoffte Ergebnis sehr schnell ein.«
Sie stiegen die letzten Stufen zum untersten Geschoss des Klinikgebäudes hinab und bogen in den Gang ein, der zu den Behandlungsräumen und Laboren führte.
»Übrigens, wie geht es Armand?«, fragte Martel, als sich die Gruppe von sieben Männern der ersten Tür näherte. »Du hast deinen Jungen schon einige Nächte nicht mehr mitgebracht. Hat Armand das Interesse an unseren Experimenten verloren?«
Alain Viré schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich finde es besser, ihn nicht mehr hierherzubringen. Ich glaube, er nimmt sich das Ganze zu sehr zu Herzen. Er beginnt, mit der Kreatur zu leiden. Die anderen drei zerfallen zu sehen, hat ihn tiefer getroffen, als er bereit ist zuzugeben.«
Der Zoologe, der dem Gespräch gelauscht hatte, nickte. »Ja, das Problem kenne ich. Ich habe zwei meiner Assistentinnen aufgeben müssen - junge, intelligente Frauen -, die bei unseren Experimenten an Tieren übermäßiges Mitleid zu entwickeln begannen. Eine ließ sogar eine nicht unerhebliche Anzahl der Tiere frei, was uns in unseren Untersuchungen natürlich einen Rückschlag versetzte.«
»Und wie geht es Armand nun?«, wollte Martel wissen.
»Er stürzt sich in sein eigenes Forschungsprojekt«, gab der Vater Auskunft und schmunzelte. »Er hat ehrgeizige Ziele. Er will der größte Speläologe aller Zeiten werden und nennt mir jedes Mal deinen Namen mit dem Hinweis, was du in deinen jungen Jahren schon alles erforscht und erreicht hast. Du bist sein Held, der Begründer der Höhlenforschung, und dir eifert er nach.«
Martel legte die Hand an die Brust und verbeugte sich leicht. »Ich fühle mich geehrt und werde versuchen, dieser Rolle gerecht zu werden.«
Die beiden Männer lächelten. »Armand hat Direktor Baillon das Versprechen abgerungen, dass er, wenn er alt genug ist, in den Kavernen unter dem Jardin des Plantes Höhlenlabore für seine Forschungen einrichten darf - und ich prophezeie dir, Armand steht in zehn Jahren vor der Tür des Direktors und fordert die Einlösung dieses Versprechens.« Beide lachten, verstummten aber, als sich Karl Westphal mit alarmierter Miene zu ihnen umwandte. Er hatte die Tür mit dem Verbotsschild erreicht und wollte gerade aufschließen, als er bemerkte, dass sie gar nicht verriegelt war.
»War einer von Ihnen hier unten und hat die Tür offen gelassen?«, fragte er in die nun verstummte Runde. Die Männer sahen einander an und schüttelten dann einmütig die Köpfe.
»Haben Sie alle die Schlüssel noch, die ich Ihnen überlassen habe?«
»Ja, natürlich«, murmelten die Männer, nur Carmelo wurde ein
wenig blass, als seine Finger die Taschen seines Mantels abtasteten und keinen Schlüssel fanden. Wie war das möglich? Hatte er ihn verloren? Wenn ja, wann und wo? Carmelo passierte den Eingang hinter dem Chemiker Marcelin, als er unvermittelt stehen blieb. Doktor Westphal und der Zoologe Girard waren schon voraus. Viré und Martel stießen fast in seinen Rücken. »Was ist?«
Carmelo schwieg verwirrt. Seine Instinkte warnten ihn deutlicher denn je, doch er scheute sich, den Männern zu einer überstürzten Flucht zu raten, auch wenn es das war, was seine Ahnung ihm sagte. Sie würden nicht auf ihn hören, die gesetzten Herren der Wissenschaft, und ihn seiner irrationalen Ängste wegen verlachen. Trotzdem blieb er wie angewurzelt stehen und ließ den Blick hektisch schweifen. Viré und der junge Geograf sahen ihn verwundert an, als sie an ihm vorbeigingen und den anderen folgten. Für einen Augenblick fragte sich Carmelo, ob er sich nach so vielen Jahren zum ersten Mal irrte. Dann, als Doktor Westphal sich noch einmal umdrehte und die Lampe hob, sah er den Schatten sich aus einer dunklen Türöffnung lösen.
»Passen Sie auf!«, schrie er und wich durch die noch offene Metalltür in den breiteren Gang davor zurück. »Schützen Sie Ihren Hals!«
Er griff an seine Seite, nur um festzustellen, dass er kein Schwert trug. Nicht einmal einen Dolch mit silberner Klinge. In einer Stadt, unter der Dutzende Vampire hausten? Wie hatte er sich nur zu diesem Leichtsinn verleiten lassen können? Würde er nun dafür bezahlen müssen?
Der Schatten bewegte sich auf die Männer zu, die Carmelos Worte wohl gehört hatten, aber nicht wussten, was sie bedeuteten. Er musste in einem wirklich schlechten Zustand sein. Für einen Vampir bewegte er sich so
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