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Die Erben der Nacht - Pyras

Die Erben der Nacht - Pyras

Titel: Die Erben der Nacht - Pyras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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die Vampire blinzeln. Wie weitläufig die Halle war und wie erlesen ausgestattet. Die Damen und Herren der Gesellschaft flanierten zwischen den Säulen auf und ab, nahmen an den kleinen Tischen Platz und bestellten Tee und Kaffee, Gebäck und Wein, warteten auf Bekannte und brachen dann zu ihren Abendgesellschaften oder in eines der Theater auf. Zwischen ihnen huschten Kellner und Gepäckträger in Livree, Botenjungen und andere dienstbare Geister umher. Auch am geschwungenen Tresen der Rezeption herrschte reger Betrieb.
    Sie ließen den Blick schweifen, ob Latona nicht an einem der Tische oder auf einem Kanapee in einer Fensternische saß, konnten sie aber nicht entdecken. Hoffentlich war sie auf ihrem Zimmer. Links von ihnen befanden sich die Aufzüge, über die man sich vom Liftboy in seine Etage fahren lassen konnte. Gegenüber führte die große Treppe in die oberen Stockwerke. Doch auch direkt rechts neben ihnen wand sich eine schmale, unscheinbare Treppe nach oben, die vermutlich für das Personal gedacht war.
    »Hier können wir ungesehen hinauf. Weißt du die Zimmernummer?« Malcolm nickte widerstrebend.
    »Also, dann komm!« Ivy huschte hinter der Palme hervor und lief die Personalstiege hinauf. Seymour und Malcolm folgten ihr. Sie waren nur für einen Augenblick von der Halle aus zu sehen, und sie war sich sicher, dass keiner der Gäste auf sie achtete. Warum auch? Wer interessierte sich schon für diesen etwas verborgenen Teil eines Hotels? Bedienstete mussten unauffällig funktionieren. Und dennoch fühlte Ivy für einen Moment ein Kribbeln in ihrem Nacken, als hätte ein Paar Augen sie erspäht und würde noch immer staunend auf die Stelle starren, die sie wie ein fliehender Schatten passiert hatte. War das möglich? Es war unwahrscheinlich, doch Ivy hatte in ihrem langen Dasein gelernt, auf ihre Instinkte zu vertrauen. Jemand hatte sie entdeckt. Jemand, der ihnen in diesem Moment über die Treppe hinauf folgte.
    Seymour, sieh zu, dass er uns nicht überrascht.

    Der Wolf blieb ein Stück zurück und witterte achtsam die Treppe hinunter, während Ivy und Malcolm den Gang entlang zu der Zimmertür mit der Nummer 306 eilten. Malcolm klopfte an und lauschte erwartungsvoll auf Latonas Schritte. Nichts geschah. Latona kam nicht. Die Tür war abgeschlossen. Ivy öffnete sie mit Alisas Werkzeug. Neugierig betraten sie die dunkle Zimmerflucht.
    »Sie ist nicht da«, seufzte Ivy nach einem Blick auf die leeren Betten in beiden Räumen.
    »Und ihr Onkel auch nicht. Zum Glück.« Malcolm zog eine Grimasse.
    »Mit dem Onkel wären wir fertig geworden, doch ohne Latona bekommen wir auch keine Antwort auf meine Frage!«
    »Sollen wir auf sie warten?«, fragte Malcolm, der interessiert die Sachen betrachtete, die in ihrem Zimmer achtlos über den Boden und das Bett verteilt lagen.
    Ivy hob hilflos die Arme. »Uns wird nichts anderes übrig bleiben. Ich hoffe, sie ist nicht die ganze Nacht weg. Die Zeit läuft uns davon.«
    Seymour schlüpfte durch die nur angelehnte Tür herein und schob sie hinter sich zu.
    »Ist er auf dem Weg hierher?«, fragte Ivy, die seine lautlose Nachricht empfangen hatte. Sie lächelte zufrieden. »Ah, das ist gut. Das erspart uns viel Zeit.«
    »Was? Wer?«, wollte Malcolm wissen. Ivy legte den Finger an die Lippen und deutete auf die Tür. Sie huschten durch den Raum und stellten sich zu beiden Seiten auf. Schritte näherten sich über den Teppich. Dann klopfte es.

UNSICHTBARE FEINDE
    Franz Leopold klappte den letzten dicken Wälzer zu, gähnte herzhaft und erhob sich. Lässig schlenderte er zu Alisa hinüber, die noch immer tief über den Seiten gebeugt dasaß und las. Die Hände in die Hüften gestützt, blieb er neben ihr stehen und sah auf das aufgeschlagene Buch hinunter.
    »Was willst du?«, fragte sie gereizt, ohne aufzusehen, und blätterte die nächste Seite um.
    »Nachsehen, warum du nur so langsam vorankommst«, schlug er vor.
    »Das ist nicht so einfach!«, rief sie. »Ich habe hier alte Handschriften, die man kaum entziffern kann. Also lass mich in Ruhe arbeiten!«
    »Ist mir schon aufgefallen, dass du damit Schwierigkeiten hast. So schlimm finde ich es gar nicht. Wenn man sich an das Schriftbild gewöhnt hat, geht es ganz leicht von der Hand.«
    »Wie schön für dich, dass du mal wieder jemanden gefunden hast, dem du deine Genialität unter die Nase reiben kannst. Leider habe ich für solchen Kram jetzt keine Zeit, also pack dich fort!«
    Franz Leopold verdrehte die Augen.

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