Die Erben der Nacht - Pyras
stehen blieb.
Malcolm hob die Schultern. »Ich habe keine Ahnung. Latona hat
mir den Namen des Hotels und die Straße genannt. Woher soll ich wissen, wo sie genau liegt?«
»Dann werden wir jemanden fragen müssen, der es weiß.«
Malcolm zeigte ein dünnes Lächeln. »Na dann, viel Erfolg.« Er wies mit einer ausholenden Geste auf die einsamen Abwasserkanäle, in denen sich nur die Ratten tummelten. Diese hätten ihnen das Hotel zeigen können, wäre Ivy oder Malcolm bekannt gewesen, wie es aussah. Mit Namen fingen die Tiere nichts an.
Ivy lächelte zurück. »Nein, hier unten kann ich natürlich keinen fragen, wie du selbst siehst. Ich werde wohl hinaufmüssen.« Sie wies auf ein Gitter in der Decke, durch das ein wenig Licht hereinsickerte.
»Du bist zwar klein und schlank, aber da passt selbst du nicht durch!«, widersprach Malcolm. »Und Seymour und ich schon gar nicht.«
»Nicht in diesem Körper, ja, sicher. Doch als Fledermaus? Oder möchtest du dich in Nebel wandeln? Ist das nicht eine der Künste, die die Vyrad beherrschen?« Malcolm sah sie erstaunt an. »Ja, ich weiß, ihr geht damit nicht hausieren. Hat euer Clanführer euch angewiesen, diese Fähigkeit vor den anderen geheim zu halten?«
Sie wartete seine Antwort nicht ab, da er offensichtlich nicht wusste, was er darauf sagen sollte. »Du bleibst bei Seymour und wartest hier. Ich bin gleich wieder zurück.«
Ivy rief mühelos die Nebel, ließ sich von ihnen umwirbeln und flatterte nur Augenblicke später als die winzigste Fledermaus, die Malcolm je gesehen hatte, durch den Gitterschacht hinauf in die wolkenverhangene Nacht.
Sobald Ivy die Straße erreichte, wandelte sie sich in einem dunklen Hof zurück und trat dann zwischen die Passanten. Sie achtete darauf, von nicht zu vielen Menschen bemerkt zu werden. Ah, da kamen zwei, die so aussahen, als müssten sie das noble Hotel kennen.
Malcolm und Seymour mussten nicht lange warten, bis die Fledermaus zurückkehrte und Ivy wieder aus dem Nebel trat. »Da lang.«
Sie gingen schweigend weiter. Ivy hatte keine Schwierigkeiten, in den unterirdischen Gängen der Richtung zu folgen, in die die Menschen gezeigt hatten. Nur die Entfernungsangaben waren zu
ungenau gewesen, als dass sie annehmen konnte, beim ersten Mal direkt den Keller des Hauses zu treffen. Aber was konnte man bei den groben Sinnen der Menschen schon erwarten?
Endlich brach Malcolm das Schweigen. »Du hast mir noch nicht gesagt, was du mit Latona vorhast.« Er klang bedrückt.
Ivy sah ihn erstaunt an. »Ich will sie nur fragen, weiter nichts. Das habe ich dir doch schon zu Anfang gesagt. Ah, du glaubst mir nicht? Nein, ich versichere dir, es geht mir nur um diese Auskunft. Die Frage ist doch eher, was hast du mit ihr vor? Ich weiß, dass du dich noch nicht entschieden hast, obwohl dein Verstand dich immer wieder zu der Erkenntnis führt, dass es kein besseres Ende für euch beide gibt, als sie nicht wiederzusehen.« Ivys Stimme klang sanft, doch sie konnte dadurch die Härte der Tatsachen nicht ändern.
»Das geht dich nichts an!«, erwiderte Malcolm ärgerlich.
Ivy betrachtete ihn bekümmert. »Nein, es geht mich nichts an, doch ich möchte nicht, dass du dich unnötig quälst oder in Schwierigkeiten gerätst - und das wirst du, wenn du wieder alleine mit ihr bist. Deine Selbstbeherrschung ist noch zu brüchig. Was ist, wenn du sie in deiner Gier tötest? Wäre es dann leichter für dich, sie zu vergessen?«
»Sie ist nur ein Mensch!« Der verächtliche Ton misslang ihm. Wen versuchte er hier zu täuschen? Sich selbst?
»Dann dürfte es dir ja nicht schwerfallen, dich von ihr fernzuhalten«, erwiderte Ivy. »Denke daran, du hast das Ritual noch nicht begangen und darfst noch nicht Hand an einen Menschen legen.«
»Daran musst du mich nicht erinnern!«, rief er barsch.
Ivy schwieg. Sie standen nun im dritten Keller eines großen Gebäudes, das ein Hotel sein konnte. »Versuchen wir es. Komm, dort ist eine Treppe.«
In den unteren beiden Stockwerken war die Treppe zwar breit, doch völlig schmucklos. Dies änderte sich erst in der letzten Biegung, bevor sie eine große Halle erreichten. Das Stimmengewirr, das sie schon im Keller gedämpft vernommen hatten, wurde lauter. Die Stufen waren nun mit kostbarem Teppich belegt, die Wände wechselweise mit Holz getäfelt oder mit bestickten Stoffen bespannt. Oben
neben dem Zugang stand eine Pflanze in einem großen Messingtopf, die hier sicher nicht heimisch war.
Der Lichterglanz ließ
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