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Die Erben der Nacht - Pyras

Die Erben der Nacht - Pyras

Titel: Die Erben der Nacht - Pyras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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mitten in der Bewegung inne, als ihr Blick ihn traf. Rasch zog er ihn wieder zurück. Wie hatte er das nur für einen Moment vergessen können? Sie war nicht irgendein verwirrend schönes Mädchen! Nein, kein Mensch, sondern ein verfluchtes, untotes Wesen, das sich von Menschenblut nährte. Ein Monster in Gestalt einer Sirene. Es schauderte ihn.
    »Wir werden uns im Hôpital Cochin einmal umsehen. Vielleicht finden wir dort eine Spur des Vermissten«, gab Ivy mit freundlicher Stimme Antwort, doch in ihren Augen stand die unmissverständliche Warnung, ihr nicht noch einmal zu nahezukommen.
    »Und Latona? Was ist mit ihr?«
    Ivy hob die Schultern. »Was soll mit ihr sein? Wir kamen nur, um diese Auskunft von ihr zu erhalten. Sie ist für uns nicht weiter von Interesse.«
    Bram fixierte Malcolm bei diesen Worten und war sich sicher, dass Ivy nur für sich sprach. Für den jungen Vampir war das Mädchen sehr wohl von Interesse!
    »Was, wenn ihr Latona dort begegnet?«
    Ivy hob die Schultern. Sah sie das Problem nicht oder interessierte es sie nicht? Entschlossen stellte sich Bram an ihre Seite. »Ich werde euch begleiten?«
    »Was?« Malcolm lachte ungläubig. »Sei froh, wenn du diese Begegnung
unversehrt überstehst. Willst du dein Schicksal herausfordern?«
    Auch Ivy schüttelte den Kopf. »Nein, das halte ich für keine gute Idee. Du wirst hier in diesem Zimmer bleiben. Zumindest so lange, bis wir weg sind.«
    »Du kannst mich nicht zwingen«, widersprach Bram störrisch.
    Ivy hob die Augenbrauen. »Nein?« Sie schien belustigt. »Natürlich kann ich dich zwingen.«
    Sie blies die Lampe aus. Es ging alles so schnell, dass Bram sich noch nicht einmal in Bewegung gesetzt hatte, als die beiden Vampire und der Wolf auch schon durch die Tür schlüpften. Dann knackte es im Schloss und er blieb eingesperrt im Zimmer zurück. Bram warf sich gegen die Tür, doch die war massiv und würde nicht nachgeben. Eher würde er sich die Schulter auskugeln. Fluchend tastete Bram nach der Lampe und machte sich Licht, um seine Lage zu erkunden. Aus dem Fenster konnte er nicht steigen. Zu hoch. Sollte er so viel Lärm machen, dass ihn jemand herausließ? Das könnte allerdings Ärger für ihn bedeuten. Schließlich war er ohne Erlaubnis in das Zimmer von Carmelo und Latona eingedrungen.
    Bram Stoker sah sich um. Vielleicht fand er eine Haarnadel oder etwas Ähnliches, mit dem es ihm gelingen konnte, das Schloss zu öffnen. Nicht dass er so etwas schon einmal versucht hätte. Er hatte allerdings davon gehört, dass dies in zwielichtigen Kreisen durchaus üblich war.
    Das schlechte Gewissen drückte ihn ein wenig, als er an Latonas Toilettentisch trat. Haarnadeln lagen hier genügend herum. Nun musste er nur noch seine Fingerfertigkeit beweisen.
    Als er in den anderen Raum zurückkehrte, fiel sein Blick auf einen Spazierstock mit einem schweren Griff. Bram umschloss ihn und wog ihn in der Hand. Als er ihn drehte, sah er den Mechanismus, mit dem man die äußere Hülle lösen konnte. Sein Herz schlug ein wenig schneller. Ein Stockdegen! Die schlanke silberne Klinge schimmerte im Schein der Lampe. Die perfekte, unauffällige Waffe eines Vampirjägers. Rasch schob er die beiden Teile wieder zusammen und hakte den Verschluss zu. Sollte er ihn mitnehmen? Nur für alle Fälle?

    Er dachte an die Nacht in der Oper und an Ivy. Wie großspurig hatte er behauptet, er würde ihr nie schaden! Ihr nicht und allen anderen Vampiren. Er hatte ihr einen Schwur geleistet.
    Ivys Stimme klang in seinem Kopf wider: »Schwöre mir nicht. Ihr Menschen seid so leichtfertig darin, Schwüre auszusprechen. Was passiert, wenn das Schicksal dich vor die Entscheidung stellt, einen Menschen, der dir nahesteht, zu retten und dafür einen Vampir zu vernichten?«
    Bram sah auf den silbernen Stockdegen in seiner Hand hinab und das Herz wurde ihm schwer. Würden ihre Worte so schnell wahr werden?
    Schritte auf dem Flur ließen ihn aufhorchen. Kehrten die Vampire zurück? Nein, sie würde er nicht hören können. Wer dann? Es klang nach dem festen Schritt eines Mannes. Carmelo?
    Brams Finger klammerten sich um seine Waffe, aber er widerstand dem Drang, die Klinge herauszuziehen. Er überlegte gerade, ob er den Stock an seinen Platz zurückstellen sollte, als das Schloss knirschte und die Tür aufgestoßen wurde. Statt in die Miene eines grimmigen Carmelo starrte Bram in das erstaunte Gesicht eines jungen Mannes in roter Uniform, der einen Stapel Handtücher in den Armen

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