Die Erben der Nacht - Pyras
pelzigen Nager. Gelebt, gestorben und vergessen.
Ivy stellte ihre Kiste ab und legte den Arm um Eriks Taille. Ihre Lippen bewegten sich, während sie ihn in winzigen Schrittchen vorwärtstrieb. Wieder zuckte sein Körper, als habe er einen Schlag erhalten, und Franz Leopold empfing eine Welle von Pein, die das Phantom unglaublich stoisch ertrug. Noch immer empfand er keine Angst, obwohl diese Aura ihn in Panik hätte versetzen müssen. Nach fünf weiteren Schritten entspannte sich Erik wieder. Der Schmerz ließ nach. Er schüttelte sich wie ein Hund und straffte dann den Rücken.
»Alles in Ordnung«, versicherte er Ivy, die ihn besorgt betrachtete. »Du brauchst nicht bei mir zu bleiben.«
Doch Ivy ging weiter so dicht neben ihm, dass sich ihre Arme berührten. Den ersten verdutzten Pyras, den sie trafen, schickte sie in den Gang, die zurückgelassene Kiste zu holen. Vermutlich war er viel zu verwirrt, um zu widersprechen.
Ivy führte das Phantom mitten in die große Höhle. Als Luciano sie entdeckte, stieß er einen Schrei aus. Er lief ein paar schnelle Schritte auf sie zu, dann fiel ihm ein, dass er ja mit ihnen schmollte, und er blieb unschlüssig stehen. Seymour dagegen rannte zu ihr und setzte sich an ihre Seite. Bewegungslos standen sie da, während es in der Halle totenstill wurde. Inzwischen hatte auch der letzte Vampir mitbekommen, dass etwas Ungewöhnliches vor sich ging. Sie bildeten einen Kreis um die Freunde mit ihrem menschlichen Begleiter und starrten sie stumm an. Ihre Feindseligkeit hüllte die kleine Gruppe ein, obwohl Franz Leopold vermutete, dass die meisten von ihnen das Phantom kannten oder zumindest von ihm gehört hatten. Trotz allem war er ein Mensch, und Ivy hatte ihm geholfen, den Schutzbann zu überwinden. Franz Leopold wurde plötzlich bewusst, dass die Feindseligkeit mehr gegen die Erben gerichtet war als gegen den Eindringling. Dieses Problem konnte man schnell und für immer beseitigen, doch was sollte man mit den Erben anderer Clans tun, die hier waren, um von ihnen zu lernen, und den Feind zu ihnen gebracht hatten? Ein ungewohnt mulmiges Gefühl stieg in Franz Leopold auf, als er die Gedanken einiger Pyras auffing.
Sie hatten es ja schon immer geahnt, dass den anderen Clans nicht
zu trauen war, und nun wurde ihnen ein neuer Beweis geliefert. Deshalb hatten sich die Familien über Jahrhunderte bekriegt. Nicht in wenigen Köpfen verdichtete sich die Überzeugung, dass die Akademie gescheitert war und die Zeit gekommen, gegen die verräterischen Clans vorzugehen.
Franz Leopold berührte Ivy an der Schulter.
Ja, ich kann ihr Misstrauen und ihren wachsenden Zorn ebenfalls spüren . Und was gedenkst du, dagegen zu unternehmen? Es ärgerte ihn, dass Nervosität durch seine Gedanken hallte. Und so schüttelte er Ivys Hand, die nach der seinen griff, ungeduldig ab.
Ich werde es ihnen erklären.
Franz Leopold schnaubte. Oh ja, sie machen mir durchaus den Eindruck, als wären sie für vernünftige Argumente zugänglich. Oder vielleicht doch nicht? Vielleicht ziehen sie es vor, uns sofort in kleine Stücke zu zerfetzen.
Ivy schüttelte den Kopf. Nein, keine Angst, sie sind keine wilden Tiere.
Ich habe keine Angst, auch wenn ich sie sehr wohl für wilde Tiere halte!
»Was ist hier los?« Seigneur Lucien unterbrach das stumme Zwiegespräch. Er drängte sich zwischen Sébastien und zwei anderen Clanmitgliedern durch und sah die jungen Vampire und ihren Begleiter nacheinander durchdringend an.
»Was hat das zu bedeuten?« Auch er klang feindseliger, als sie ihn jemals gehört hatten. Franz Leopold spürte Alisas Beklemmung und Lucianos aufsteigende Angst. Ivy dagegen blieb bewundernswert ruhig.
»Dies ist kein Akt des Verrats gegen die Pyras, Seigneur Lucien, das sei Euch versichert. Es ist eine ungewöhnliche Maßnahme im Kampf gegen eine Heimsuchung, der Nacht für Nacht Vampire zum Opfer fallen!«
Franz Leopold forschte nach den Gefühlen des Pyras. Würden Ivys Worte ihn überzeugen? Für einen Moment mischte sich Unsicherheit in seinen Zorn. Die anderen Vampire zogen den Kreis um sie enger, doch der Clanführer hob abwehrend die Hand.
»Sprich weiter!«, forderte er Ivy auf.
Die Lycana beeilte sich, zum Kern der Sache zu kommen. Auf
Geduld für weitschweifende Erklärungen konnte sie bei den aufgebrachten Pyras nicht hoffen.
»Und nun soll er mit seinen Alchemistengeräten irgendwelche Untersuchungen in unseren Höhlen durchführen?«, wiederholte Seigneur Lucien und
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