Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad
verbringen, von dem der Rest der Gruppe nichts wusste. Alisa hatte sie einmal neugierig danach gefragt, aber nur einen hochmütigen Blick statt einer Antwort erhalten.
Von Luciano wusste sie, dass auch er recht gute Fortschritte machte, und dass Leo sich bereits an Türschlitze und Schlüssellöcher heranwagte. Diese zu überwinden war schwieriger, da der entstehende Luftzug mit abnehmender Größe der Öffnung zwangsläufig zunahm. Das erleichterte die Sache in manchen Fällen, aber man konnte sich auch in eine Falle hineinmanövrieren, wenn man sich von der einen Seite mit dem Luftzug durch eine schmale Öffnung ziehen ließ, auf der anderen Seite aber feststellen musste, dass man nicht zurückkonnte und es keine Möglichkeit gab, die Tür oder was immer man überwunden hatte, von dieser Seite zu öffnen.
» Tja, dann hast du halt Pech gehabt«, kommentierte Tammo Malcolms Ausführung mit einer Grimasse.
» Genau, und dir bleibt nichts anderes übrig, als dort zu warten, bis du in deine Todesstarre fällst und von irgendeinem Menschen gefunden wirst, der dich dann freundlicherweise ins Sonnenlicht hinausträgt, wo du verbrennst, ehe du noch einmal die Gelegenheit bekommst, die Augen zu öffnen«, ergänzte Malcolm.
» Quatsch«, widersprach Tammo mit vor Vergnügen funkelnden Augen. » Bis dahin können wir dem Ruf der Sonne widerstehen. Wenn also der Mensch die Tür aufschließt, überwältigen wir ihn, entkommen und suchen uns einen sicheren Unterschlupf für den Rest des Tages.« Er zeigte seine Zähne und grinste Malcolm breit an.
» Aha, und du willst mir weismachen, dass du das leichter erlernen wirst, als die Stärke und den Verlauf eines Luftzugs einzuschätzen, und die Wirbel, die entstehen, für dich zu nutzen?«
Tammo hob die Schultern. » Woher soll ich das wissen? Das hängt schließlich davon ab, wie gut du darin bist, es uns beizubringen.«
Malcolm schwankte zwischen Lachen und Verärgerung. » Du bist eine echte Landplage, Tammo!«
Der Vamalia schüttelte den Kopf und setzte eine Unschuldsmiene auf. » Das ist die falsche Bezeichnung, verehrter Malcolm, man nennt das eine Herausforderung!«
Alisa knuffte ihn in die Rippen. » Jetzt reicht es aber. Lass uns weiterüben und hör Malcolm gut zu, dass er es dir nicht noch mal extra erklären muss.«
Ivy zog sich in diesen Stunden meist zurück. Oft alleine, sodass Seymour entweder Alisas oder Lucianos und Leos Gruppe Gesellschaft leistete. Was Ivy in den vielen Stunden trieb, wusste niemand, denn sie hüllte sich in Schweigen. Alisa hatte Seymour gefragt, doch er hatte ihr versichert, ebenfalls im Dunkeln zu tappen.
» Besonders viel Spaß scheint sie in ihrer freien Zeit jedenfalls nicht zu haben«, meinte Luciano, als Alisa das Thema wieder einmal anschnitt.
» Wie kommst du darauf? Nicht dass ich Ivy im Verdacht hätte, scharf auf solche Vergnügungen zu sein, wie Tammo und die Pyras sie bevorzugen. Aber es gibt ja auch noch andere interessante Dinge in London. Das Britische Museum soll zum Beispiel unglaubliche Exponate zeigen.«
Luciano schüttelte vehement den Kopf. » Nein, ich kann mir Ivy beim besten Willen nicht auf einer Museumstour oder beim Einkaufsbummel in der Bond Street vorstellen. Ich finde, sie wird von Nacht zu Nacht ernster und trauriger.«
» Letzthin kam sie mir richtig zornig vor«, widersprach Alisa.
» Mag sein, auch das«, gab Luciano zu, » aber wann hast du sie das letzte Mal lachen gehört? Oder einfach nur in einer fröhlichen Stimmung erlebt?«
Alisa sah ihn betroffen an. » Du hast recht. Ich habe mir zu wenig Gedanken um sie gemacht. Es ist mir nicht aufgefallen, wie sehr sie sich verändert hat. Warum nur ist sie unglücklich? Ich meine– hast du etwas mitbekommen? Könnte es sein, dass sie einfach nur wegwill? Weg von jemandem?«, fügte sie leise hinzu.
» Von Leo? Meinst du das?« Luciano sah sie aufmerksam an. Alisa nickte.
» Ja. Haben sie sich vielleicht gestritten? Hast du etwas mitbekommen? Oder hat er sie ein weiteres Mal abserviert?«
Luciano schüttelte mit Nachdruck den Kopf. » Weder das eine noch das andere. Zumindest, soweit ich weiß. Außerdem kann er sie nicht abservieren, wenn er gar nicht mit ihr zusammen ist. Das haben die beiden doch schon in Irland endgültig geklärt.«
Alisa seufzte. » Wenn es nur so wäre. Ich weiß, was ich gesehen und gespürt habe.«
» So?« Luciano sah sie stirnrunzelnd an. » Genau das bezweifle ich. Ich habe den Eindruck, dass ihr beide, sowohl du
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