Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad
jedoch seine Lippen die ihren berührten, vernahm sie einen Aufschrei.
» Alisa! Verflucht, was ist passiert? Leo, bei allen Dämonen der Hölle, was ist mit ihr?«
Die Lippen und das Gesicht verschwanden. Stattdessen beugte sich Tammo über sie.
» Du siehst schauderhaft aus. Was hast du nur wieder angestellt? Man kann dich keine Minute aus den Augen lassen, ohne dass du irgendetwas Heldenhaftes zu vollbringen versuchst. He, ich rede mit dir. Hörst du mich? Dann sieh mich an!« Er packte sie bei den Schultern und wollte sie schütteln.
» Nicht!«, schrie Leo. » Ihr Rückgrat ist gebrochen.«
Das war das Letzte, was Alisa hörte. Dann verlor sie endgültig das Bewusstsein und sank in eine tiefe Ohnmacht.
Das Ende einer Legende
Ivy hatte sich ein ganzes Stück entfernt und umschritt Dracula in einem Bogen, sodass er sie nicht zu fassen bekam. Er war an den Rest der Erdspur gebunden, ohne die Möglichkeit, das Portal zu erreichen. Ivy sah Schaufel und Besen in einem Erdhaufen neben der Tür stecken. Nein, sie würde keine Menschenwerkzeuge brauchen, um das Werk zu vollenden. Sie ging auf die Stelle zu, die sie zuvor sorgfältig ausgesucht hatte. Genau zwischen den Grabplatten der Kreuzritter blieb sie stehen und sah Dracula herausfordernd an.
» Du willst also den Kristall? Dazu müsste ich Franz Leopold rufen«, sagte sie.
» Dann tu es!«, knirschte Dracula mit unterdrücktem Zorn. Wieder versuchte er, ihren Geist zu bezwingen, und drohend kam er Schritt für Schritt näher, bis er das Ende der Spur erreichte. Ivy drehte die Handflächen nach oben und konzentrierte sich.
Mutter, große Druidin Tara, ich spüre deine Nähe. Rufe die Kräfte der Erde für mich an und bitte sie, mir zu dienen.
Die Energie strömte so unvermittelt in ihren Körper, dass Ivy einen Schritt nach hinten wankte. Es kostete sie Mühe, die wilde Natur zu bändigen. Sie musste ihre Kraft eindämmen und genau auf ihr Ziel lenken.
Ihr Blick richtete sich auf die Erdspur. Ein Windhauch fuhr durch ihre silbernen Locken, umwirbelte sie und zupfte am Saum ihres Gewandes. Dann ringelte er sich davon wie eine unsichtbare Schlange. Es würde funktionieren. Sie musste ihn nur lange genug ablenken.
Ivy richtete ihren Blick wieder auf Dracula. Seine Hände schlossen sich zu Fäusten, und sie las in seinen Gedanken, wie er sich vorstellte, sie um ihren Hals zu legen und zuzudrücken, bis sie ihn um Gnade anflehte. Es verlangte ihn danach, ihr– wie Alisa– den Hals zu brechen.
Alisa. Wie ging es ihr? Wie schwer war sie verletzt?
Mit Gewalt schob Ivy den Gedanken von sich. Es waren genug Erben draußen, die sich um sie kümmerten. Allen voran Leo. Er würde wissen, was zu tun war. Sie musste sich auf ihre Aufgabe hier drinnen konzentrieren.
Ivy riskierte einen Blick durch das Kirchenschiff zum offenen Grab vor dem Altar. Ein Luftwirbel begann sich zu bilden. Er fuhr herab und hinterließ in dem Erdpfad eine Lücke.
Ja, weiter so, sacht und heimlich. Kommt zu mir ihr Winde und lasst die verfluchte Erde fließen.
Sie spürte mehr als dass sie sah, wie der Luftzug über den Boden strich und sich mit dem Staub der trockenen Erde vollsog. Der Boden begann zu wabern und dann nach allen Seiten davonzufließen.
Ivy versuchte derweil, Draculas Aufmerksamkeit mit ihrem Blick festzuhalten. Er hatte das westliche Ende der Erdspur erreicht und streckte seine Hände nach Ivy aus.
» Komm her!«, befahl er ihr.
Ivy spürte die Macht hinter seinen Worten, doch hier in der Kirche konnte sie sich nicht voll entfalten, und so gelang es Ivy, sich seinem Geist zu entziehen. Dennoch tat sie so, als würde es ihr schwerfallen. Sie wankte und ließ sich ein kleines Stück nach vorne fallen, nur um mit einem Stöhnen wieder zurückzuweichen. Derweil beschwor sie weiter die Macht der Winde.
Dracula schien auf das Schauspiel hereinzufallen. Ein böses Lächeln entstellte seine Lippen.
» Ja, komm her. Wehr dich nicht länger. Du kannst mir nicht widerstehen. Bald geht die Sonne auf und wird dir und deinen Freunden alle Kräfte rauben. Komm zu mir und rufe den Dracas mit dem Kristall! Oder willst du, dass deine Freunde dort draußen vom Aufgang der Sonne überrascht werden und in ihre Starre sinken? Vielleicht erreichen die Strahlen sie noch nicht sofort, aber die Schatten werden wandern. Unerbittlich. Und dann werden sie unter Qualen verbrennen und auf immer vernichtet werden. Willst du das auf dein Gewissen laden?«
Ivy tat, als würde sie überlegen. Auch
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